Serie: And just like that…


Carrie Bradshaw hat endlich Mr. Big geheiratet, an dieses Drama können wir uns alle noch erinnern – und auch an den Weg dorthin, durch tausend Betten und noch mehr Modekollektionen dieser Welt. 15 Jahre später geht es um Mittfünfziger, die sich mit ihrem Eheleben arrangiert haben und sich – wie zu Zeiten von Sex and the City – mit aktuellen Grundfragen der Gesellschaft herumschlagen.

Man verrät nicht zu viel, wenn man schreibt, dass Carrie zu Beginn Witwe wird und damit verständlicherweise heillos überfordert ist. Wie perfekt diese Ehe mittlerweile geworden zu sein scheint, sie ist plötzlich vorbei und der Zuschauer, der eigentlich ein bisschen auf dieses Glück und diese kleine, heile Welt gehofft hat, muss sich ein Tränchen verkneifen. Was umso mehr irritiert: Wie glücklich, positiv, hell Carrie damit umgeht. Immerhin trägt sie bei der Beerdigung schwarz, ansonsten aber fröhliche Farben und die Trauer nimmt man ihr so gar nicht ab. Dass man die realen Falten im Gesicht einer zu abgemagerten Sarah Jessica Parker mal nicht überschminkt und wegretouschiert hat, ist zwar sehr positiv, ändert aber nichts. Es wirkt zu gespielt, zu gestellt, nicht ernsthaft, der Zuschauer wird nicht mitgenommen. Zeitlich fliegt dann alles ein bisschen, man weiß gar nicht recht, wie viele Wochen und Monate nun schon vergangen sind, seit Big auf dem Boden im Badezimmer gestorben ist, es geht weiter, es geht um Umzüge, neue Freundschaften, ein bisschen Sex und ganz viel Genderwahnsinn. Dass dieses Thema aufgegriffen wird, verwundert nicht und es ist gut, dass man verschiedene Versionen und Generationen diesen Umschwung erleben lässt, denn das ist es, was in der Gesellschaft passiert. Leider wird das Thema der binären Tochter nicht ganz aufgelöst, friss oder stirb, so wie es im echten Leben auch scheint, wenn man nicht direkt damit konfrontiert wird. Es fehlt eine wirkliche Auseinandersetzung damit, es fehlt, dass sich Charlotte mit ihrer als Mädchen geborenen Tochter mal hinsetzt und die beiden sich aussprechen, Rock erklärt, was in ihr vorgeht oder was eben nicht. Klar, man kann sich heutzutage als alles definieren, aber es scheint eine Trotzreaktion gegen das etwas spießige Elternhaus zu sein, eine Abspaltung davon und vor allem Resignation, weil Rock gegen die talentierte und intelligente Schwester ohnehin nicht ankommt. Ist es das? Oder steckt doch mehr dahinter, wenn die Tochter eines Abends ihren Mut zusammennimmt und sagt: Mama, ich bin kein Mädchen mehr. And Just Like That… lässt das offen und versagt damit vollständig.

Die Rettung scheint Podcasterin und Stand Up Che Diaz, gespielt von Sara Ramirez, zu sein, die fröhlich über alle herzieht, die nicht in offenen Sexbeziehungen leben und Männlein, Weiblein, Diverslein vögeln – und vielleicht für sich entschieden haben, einem Geschlecht anzugehören, was heutzutage ja derart abwertend kommentiert wird, dass man die ganze Evolution infrage stellen möchte. Sie bringt aber die Rolle sehr gut rüber und einen gewissen Witz, vor allem aber viel Freude und gute Laune mit einer irrsinnig positiven Ausstrahlung in die Serie. Von ihr kann der Zuschauer dann doch etwas lernen, die arme Miranda, labil wie eh und je, verfällt ihr und kickt dafür ihren Ehemann aus ihrem Leben. Das ist okay, sowas kann passieren. Es fehlt alleinig die endgültige Konfrontation der beiden. Die Trennung wird nur angerissen, nicht mal verständnisvoll hingenommen, sondern einfach abgehakt. Da passiert zu wenig.

Überhaupt passiert zu wenig in der Serie, wenn es darum geht, Konflikte wirklich zu benennen und zu bearbeiten. Es wird nicht ausdiskutiert, es wird ein zu simpler Weg gewählt, indem man ein perfektes Drehbuch runterrattert, das am Leben im Eiltempo vorbeischlittert. Wie schon zu SATC-Zeiten werden kleine Katastrophen und mittlere Krisen sinnlos erzeugt, weil man den einfachen Weg, eine kurze Aussprache, eine simple Nachfrage, nicht wählt – vermutlich nimmt man an, dass der Zuschauer das nicht sehen möchte, aber genau das ist, was die Welt gerade benötigt. Wir kriegen hier alternde, verbrauchte Zicken vorgesetzt, die immer noch nicht gelernt haben, dass Kommunikation oberste Priorität hat, sondern die aus einer Nichtigkeit einen Atomkrieg machen. Dieses Verhalten ist okay, wird suggeriert und zeigt damit, wie niedrig das Niveau mittlerweile ist. Ich hab schon vor 15 Jahren den ein oder anderen Konflikt nicht verstanden, ich hab den Aufriss nicht verstanden bei der Hochzeit, als Big erstmal vorbeigefahren ist. Wo war denn bitte das Problem, dass er vor der Hochzeit einmal an der Location vorbeirauscht? Wo ist jetzt das Problem für Carrie, dass Mr. Big seine Exfrau im Testament bedenkt? Und wenn sie schon mit der Exfrau, der sie übrigens den Mann ausgespannt hat, darüber reden möchte, warum tut sie das dann nicht einfach, als sie endlich Gelegenheit dazu hat, sondern macht erst noch ein peinliches Getue drumherum?

And Just Like That… ist ziemlich kindisch für das dargestellte Alter der Hauptfiguren. Man vermisst Samantha, die laut Drehbuch in London weilt und nur ab und an mittels Kurznachrichten auftaucht, aber da gab es ja Streitigkeiten im realen Leben – hoffentlich etwas erwachsener als die in der Serie dargestellten. Es geht nicht mehr so viel um Sex, auch wenn der noch eine Rolle spielt, dafür soll man wohl mehr zu sich selbst finden und noch einmal ausbrechen. An sich eine sehr gute Message für Jung und Alt, die auch vollkommen in den Zeichen der Zeit steht. Aber am Ende ist es doch nur billiges Gewäsch, ein paar abgedroschene Phrasen und wilde Parolen, eingepackt in Klamotten, die den Glanz alter Tage längst verloren haben. Die Erwartungen waren hoch, die Enttäuschung ist umso größer. Leider müssen wohl auch eingefleischte SATC-Fans hier ganz stark sein.

2/5

And Just Like That…
USA, 2021
Idee: Michael Patrick King
Darsteller: Sarah Jessica Parker, Cynthia Nixon, Kristin Davis, Sara Ramirez, Sarita Choudhury, David Eigenberg, Evan Handler u.a.

Ein Kommentar

  1. Danke, das war mal ein aufklärender Artikel, der mir leider auch die Vorfreude ganz nüchtern genommen hat. “ Wir kriegen hier alternde, verbrauchte Zicken vorgesetzt, ;-( “
    Hatte mich eigentlich richtig gefreut, so zur Abwechslung bzw Ablenkung im Moment. Dass Samantha nicht dabei ist, fand ich auch nicht so witzig. Hier in Frankreich ist noch nichts davon zu sehen. Na mal sehen, wenn’s hier im TV kommt, werde ich es trotzdem gucken…aus alter Nostalgie…
    Salut de la Côte d’Azur, Gitte
    https://paca006.de.tl/

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