Bei einem Jugendtalentwettbewerb 1963 seiner High School, trat James Newell Osterberg zum ersten Mal öffentlich auf. Damals mit seinem Kumpel Jim McLaughlin als The Iguanas. Das brachte den beiden sogar einen bezahlten Auftritt bei einer kleinen Veranstaltung in Ann Arbor ein. Aus dem Bandnamen „Iguana“ leitet sich sein Spitzname „Iggy“ ab. Das Duo wandelte sich schließlich zum Quintett, die Auftritte wurden regelmäßiger und 1965 gab es die erste Single „Mona“ mit der B-Seite „Again and Again“, von Iggy selbst komponiert. Der hatte allerdings keine Lust mehr und verließ seine erste Band, um kurzzeitig bei The Prime Movers Blues zu machen. Aber auch das schien nicht ganz das zu sein, was er suchte. Zurück in der Heimat Ann Arbor gründete er schließlich mit den Brüdern Scott an den Drums und Ron Asheton an der Gitarre die Band The Psychedelic Stooges, zu denen kurze Zeit später Dave Alexander als Bassist stieß. Der erste Auftritt fand passend an Halloween 1967 statt und eroberte danach Michigan. Bald wurde der Name verkürzt zu The Stooges. Ihr Ruf war allerdings nicht gerade der beste. Die Band wurde als gewalttätig und skandalös beschrieben, was nicht zuletzt Iggy zu verdanken war, der sich auf der Bühne exzessiv gab und mit Glasscherben den eigenen Körper bearbeitete oder sich mit Essen einschmierte. Dem beginnenden Erfolg tat das aber keinen Abbruch – oder war 1968 gerade der Grund dafür, dass Elektra Records der Formation einen Plattenvertrag anbot, als deren A&R Manager Danny Fields sie als Support für MC5 gesehen hatte. Für das selbstbetitelte Debütalbum konnte kein Geringerer als John Cale von The Velvet Underground als Produzent gewonnen werden, was auch gewisse Einflüsse auf der Scheibe erklärt. Skandalös blieb es allerdings, so wurde in „I Wanna Be Your Dog“ zum ersten Mal BDSM thematisiert. Aber auch musikalisch hat sich der Song in die Gehörgänge eingebrannt. Ihr Debüt brachte den Stooges später den Ruf ein, die Punkbewegung mitbegründet zu haben. Heute werden Songs wie „1969“ als Abgesang der Hippie-Bewegung und das berühmte „No Fun“ als Kontra zum „Fun, Fun, Fun“ der Beach Boys betrachtet.
Nur ein Jahr später folgt bereits der nächste Longplayer. Fun House wird von Steve MacKay am Saxophon unterstützt. Gespickt mit mehrdeutigen Songtexten, Todessehnsucht und viel Dystopie, zerstört das Album viel. Heute wird es zwar als besser als das Debüt angesehen, weil die Band eingespielter und harmonischer wirkt, 1970 blieb es aber hinter den Erwartungen zurück. Bassist Dave Alexander verlässt die Band und verstirbt fünf Jahre später an den Folgen seiner Alkoholsucht. Das Label Elektra beendet die Zusammenarbeit und The Stooges trennen sich nur wenige Jahre nach der Gründung. Für Iggy Pop war dies vielleicht nicht so schlecht. Er traf 1972 David Bowie in New York und damit begann eine Freundschaft und Kollegialität, die bis zu Bowies Tod 2016 anhielt. Der Brite ist es auch, der Iggy von einer Reunion der Stooges überzeugen kann. Neu aufgestellt kommt es Dank Bowies Hilfe zu einem Plattenvertrag mit Columbia Records – nun als Iggy and the Stooges. Der Amerikaner James Robert Williamson kommt neu in die Band und übernimmt von Ron Asheton die Gitarre, der im Gegenzug an den Bass wechselt. Im späten 1972 fliegen sie nach England und nehmen in den CBS Studios in London Raw Power auf, welches von David Bowie und Iggy selbst gemischt und produziert wird – das dann im Februar 1973 erschienene Album gilt als das beste der Band. Der Unterschied ist deutlich. Die psychedelischen Elemente sind weitgehend verschwunden, die Songs sind vergleichsweise kurz, die Zehnminüter der ersten beiden Alben fehlen. Auch das Schema der Songs ist nun klarer, strukturierter und so, wie man es aus der Popmusik kennt. Textlich ändert sich jedoch wenig. Sex, Nihilismus und Aggressivität dominieren weiterhin auf der Platte und auf der Bühne und festigen Iggy Pops Ruf. Das grandiose Foto des Albumcovers wird vom legendären Mick Rock geschossen. Die Arbeit an der Lackfolie erledigte Pete Norman, der sich zuvor schon einen gehörigen Namen bei den Platten für Led Zeppelin, Bread, Alice Cooper, Bette Midler, Dion oder den Doors gemacht hatte.
„Search and Destroy“ mit einem treibenden, fast schon wilden Rhythmus, macht den Anfang. Ein bisschen Wahnsinn ist in der Stimme zu hören, wenn Iggy sie hinaufschraubt zum Refrain. Der Text ist wie der Titel zerstörerisch und passt daher gut zur musikalischen Vergangenheit der Band. Ruhiger beginnt da das folgende „Gimme Danger“ und auch wenn man die psychedelischen Elemente versucht von der Platte zu verbannen, hier sind sie im Hintergrund doch ein wenig zu hören. Während der Gesang relativ gleichbleibend ist, passiert musikalisch wahnsinnig viel, da lohnt es sich, genauer hinzuhören. James Williamson an der Gitarre legt im Hintergrund ein gutes Solo hin, auf das man durchaus mal ganz konzentriert hören sollte, wenn man es schafft, den Rest auszublenden. Weniger sympathisch klingt die dritte Nummer – „Your pretty Face is going to Hell“ – übrigens knapp 40 Jahre später als Titel einer Streamingserie verwendet. Wieder wird der Beat schneller, die Gitarre kreischender, wer Iggy Pop einmal live erlebt hat, kann sich vorstellen, wie er diesen Song mit typischen Verrenkungen und Grimassen auf der Bühne performt und das Publikum davor abgeht. Es sind Grundzüge des Punk vorhanden, die sich nicht oder nur sehr schwer anders einordnen lassen und dem Bandleader nicht umsonst den Titel „Godfather of Punk“ einbringen. Textlich ist der letzte Song der ersten Seite, „Penetration“ geradezu stupide simpel. Auch die Geräusche, die wie Straßenkatzen auf Koks klingen, machen es nicht besser. Die Nummer klingt durchaus wie eine drogenschwangere, wahrnehmungsverzerrte Nacht in einer amerikanischen Großstadt. Das Ausbrechen aus Normen, sich gegen die Einengung der Gesellschaft stellen und der unstillbare Drang nach Freiheit dominieren den Titeltrack „Raw Power“, dem Opener der zweiten Seite. Dabei ist er musikalisch fast schon brav, ruhig. Im Hintergrund meint man immer wieder glasklar eine einzige angeschlagene Taste zu hören. Die Gitarre ist dunkel, ein bisschen dreckig. Es passiert nichts, es ist nichts vorhanden, das ausbricht, das vom fast schon beruhigenden, einschläfernden Gewaber ablenken würde. Erst gegen Ende plärrt die Gitarre ein Solo über das Thema. Der Track lebt von Iggy Pop, von der Darstellung und eindeutig von den Lyrics, die sich gegen die Regeln und für eine gewisse anarchistische Freiheit aussprechen. Anschließend ändert sich der Stil erneut. Wenn Iggy Pop „I Need Somebody“ anstimmt, denkt man zuerst an „House of the Rising Sun“ von den Animals, genauer gesagt an Eric Burdon. Ähnlich der Rhythmus, das Schleppende, das Wogende, Tragische, ähnlich der Gesang. Dann aber, ohne schneller zu werden, wird es lauter, kraftvoller. Es könnte ein Liebeslied für eine Prostituierte, eine Droge oder wirklich nur ein balladesker Garagenrocksong sein, der einen einlullt, ein bisschen mitschunkeln lässt und in den unschuldigen Schulball-Stil der 1960 /1970er Jahre passt, abgelöst von der Rock’n’Roll-Nummer, bei der die Lehrer entsetzt die Augen aufreißen und hektisch versuchen, der Band den Saft abzudrehen, während die wohlerzogenen Schüler in ihren Anzügen und knielangen Kleidchen alle Konventionen über Bord werfen – um bei der Schulballmetapher zu bleiben. Hat die vorherige Nummer eingelullt, weckt einen der unerwartet schnelle Beat von „Shake Appeal“ auf und reißt sofort mit. Wieder ist eine Abwechslung auf dem Album, wieder kann man den Stilmix nur schwer unter einen Hut bringen. Es ist der Auftakt zur letzten Nummer „Death Trip“, bei der der Name bereits Programm ist. Fast schon eine tragische Liebesgeschichte von Jugend, Verbotsüberschreitungen, dem Ausbruch aus Konventionen und dieser schönen, unschuldig-sündigen Zeit zwischen Jugend und Erwachsenwerden. Die Stooges geben noch einmal alles, präsentieren Wolfsgeheul, Gitarrensoli, einen treibenden Beat und eine Mischung aus Rock’n’Roll und Punk – und haben dann doch eine längere Nummer auf das Album geschmuggelt.
1973 wird Raw Power kein Erfolg und die Band löst sich abermals auf. Iggy Pop möchte Abstand gewinnen von seinem Leben und begibt sich in eine Nervenklinik, findet aber doch die Zeit um gemeinsam mit James Williamson ein Album aufzunehmen, Kill City, das einige Stücke enthält, die ursprünglich für die Stooges gedacht waren und letzlich 1977 veröffentlicht wird. 1976 zieht Iggy Pop mit David Bowie nach Berlin, der Rest ist Geschichte. Von den vier Gründungsmitgliedern lebt nur noch Iggy Pop und rockt weiterhin die Bühnen der Welt. Heute steht Raw Power als Meilenstein in der musikalischen Landschaft und ist alles andere als ein stiefmütterlich behandeltes Album. Die Platte hat an Bedeutung gewonnen, wird viel rezipiert und etliche Musiker orientieren sich daran. In einer Zeit, in der es Punk noch eigentlich gar nicht gab und schon gar nicht in Amerika, hat Iggy Pop mit seinen Stooges seiner Zeit weit voraus die Grundsteine für das Genre gelegt. Musikalisch zwischen dreckigem Garagenrock, letzten Anmutungen von Psychedelic und unbändigem Ausbruch aus Konventionen, fernab von einer Linie, die sich durch das Album zieht, sind die Texte dreckig, anstößig, zerstörerisch und rebellisch, drücken Suche, Selbstfindung, den Drang nach Freiheit aus – etwas, das sich Iggy Pop bis heute bewahrt hat.
Iggy and the Stooges – Raw Power
A1 – Search and Destroy
A2 – Gimme Danger
A3 – Your Pretty Face is going to Hell (Originally titled „Hard to Beat“)
A4 – Penetration
B1 – Raw Power
B2 – I need somebody
B3 – Shake Appeal
B4 – Death Trip
Iggy Pop – Lead Vocals
James Williamson – Guitars
Ron Asheton – Bass, Vocals
Scott Asheton – Drums