Buch: Jörg Piesker – Der Kannibale


Als die zweite Leiche gefunden wird, weiß KHK Hölzer, dass er es mit einem Serienmörder zu tun hat. Doch keiner will ihm recht glauben und ein Motiv kann er auch nicht nennen. Doch die nächste Leiche gibt ihm recht. Nur warum fehlen Innereien oder Körperteile und was verbindet die Opfer?

Die Vorlage für die Geschichte war Joachim Kroll. Der Serienmörder hatte in der Nachkriegszeit für Angst und Schrecken gesorgt. Piesker zeichnet aber nicht einfach dessen Lebensgeschichte nach und nennt seinen Protagonisten nur anders. Er wandelt die Geschichte in eine spannende Erzählung, die vom Originalgeschehen abweicht und doch sehr nahe dran ist. Der Leser taucht ein in die Ermittlungen, folgt den Kommissaren Hölzer und Renz, der noch jung ist und seine Sporen verdienen muss. Die haben selbst ihre privaten Probleme, die ebenfalls thematisiert werden. Was anfänglich vielleicht befremdlich wirkt, entpuppt sich im weiteren Verlauf der Geschichte als ein gelungener Schachzug, um die Zeit nach dem Krieg zu beschreiben. Wie dachten die Leute, wie waren die Regeln, wie ging man miteinander um und wie dachte die Gesellschaft über Homosexualität, damals noch ein Verbrechen – wenngleich es für die Geschichte wenig von Bedeutung ist, dass dieser Aspekt aufgegriffen wird.

Auf der anderen Seite hat man immer wieder die Sichtweise des Serienmörders. Wie er denkt und lebt, wie er sich seine Opfer aussucht und an sie heranschleicht. Unter einem strengen, gewalttätigen Vater leidend, versucht der junge Mann alles, um ihn zufriedenzustellen. Gleichzeitig wächst aber die Wut in seinem Bauch und der Druck wird immer größer. Dieser Perspektivwechsel macht die Story insgesamt interessant, zeigt aber auch Schwächen auf. Piesker scheint sich manchmal nicht ganz einig zu sein, ob er nun wirklich in den Kopf seines Protagonisten hineinschauen will oder lieber doch nicht. Es gibt Ansätze, die das Handeln und die Getriebenheit des Täters zu erklären versuchen, als Leser ist man aber immer außen vor. Na gut, könnte man nun sagen, das liegt daran, dass eben niemand in den Kopf eines anderes hineinsehen kann, stimmt, aber wenn ich das nicht will, muss ich die Geschichte anders erzählen. Hauptakteure sind und bleiben nämlich die Kommissare und selbst hierbei geht es nicht um die Ermittlungen, sondern um Suff, Homosexualität, Sorge um den Kollegen. Die Morde stehen auf beiden Seiten eher hinten an, aus Sicht des Täters werden sie nur angeschnitten. Man erwartet sicherlich keinen Splatter, kein bluttriefendes Buch, das einen nicht mehr schlafen lässt. Aber man würde doch etwas mehr Futter erwarten, etwas mehr Beschreibung, etwas mehr Intensität.

Dennoch ist Der Kannibale ein lesenswertes Buch für die kühlen Herbsttage. Der nächste Thriller ist bereits angekündigt und heißt: Der Weiße. Was ein bisschen abstößt: Die Worte des Autors am Ende. Positive Lobhudeleien darf und soll man nämlich sehr gerne in Form einer Rezension veröffentlichen. Kritik hingegen ist zwar erwünscht, aber nur privat als Nachricht in den Sozialen Netzwerken oder als Email. So treibt man Bewertungen nach oben, aber nicht die Qualität einer Story.

3/5

Jörg Piesker – Der Kannibale
Independently published 2023
220 Seiten
Taschenbuch: 9,99 €

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