Die Hammer-Studios möchten sich neu-orientieren, um wieder Blockbuster zu produzieren. Da kommt der junge Drehbuchautor gerade recht, der genau fünf Tage Zeit bekommt, um ein Drehbuch zu schreiben. Am besten wäre etwas mit einem Zug – und natürlich muss es ein Horrorfilm werden. Schnell wächst aus einer Idee ein Drehbuch um vier Passagiere in einem Zug, der kein Ziel hat und an dessen Bord so gar nichts mit rechten Dingen zuzugehen scheint …
Was zu Beginn nach einem eher mittelmäßigen Buch klingt, entpuppt sich schnell als rasante und spannende Geschichte. Schon bald befindet sich man sich mitten im ersten Weltkrieg, umgeben von Angst, Schrecken und einfallenden Soldaten. Ein Handelsreisender schnappt sich die Tochter eines örtlichen Wirtes und flieht mit ihr aus dem kleinen, dunklen Ort, in dem das ganze Leben schon seit Generationen vorgegeben ist. Obwohl mitten in der Nacht kein Zug mehr fährt, hält doch eine dunkle, monströse Lok mit angehängten Wagons. Die beiden Flüchtenden steigen ein und ziehen in letzter Sekunde noch ein Ehepaar mit an Bord. Während er Gemeindepfarrer ist, passt sich seine Frau wenig an die dadurch ihr zugewiesene Rolle an. Mit viel Geschick gelingt es Christopher Fowler, seinen Charakteren Leben einzuhauchen. Man kann sich sehr gut vorstellen, wie die vier Protagonisten agieren, wie sie denken, fühlen und warum sie hin und wieder sehr unüberlegt handeln. Schon bald springt die Beklemmung der Passagiere auf den Leser über und die Wände rücken scheinbar immer näher. Während die Geschichte immer schneller die Ereignisse aufeinander folgen lässt, mag man mit der Lektüre gar nicht mehr aufhören. Der Zug rattert durch die Nacht – sein Ziel ist unbekannt, denn das wurde auf jeder Streckenkarte entfernt und auch der Zugführer ist nicht gewillt, eine Auskunft zu geben.
Das Geheimnisvolle wird deutlich vermittelt, indem Fowler sich immer nur zu Andeutungen hinreißen lässt. Der Leser ist den Protagonisten kaum voraus, auch wenn er sich bald denken kann, in welche Richtung der Roman gehen wird und dass die Zugfahrt nun wahrlich kein schöner Sonntagsauflug werden wird. Dennoch bleiben immer wieder Fragen offen, die je nach Beantwortung die Geschichte komplett rumreißen könnten – und das eben auch manchmal tun.
Ein bisschen störend kommen die eingeschobenen Zwischenkapitel daher, die wieder zum Anfang zurückkehren und sich dem Ergehen des Drehbuchautors widmen. Leider wird hier die Geschichte sinnlos abgebremst. Man erwartet, dass es irgendwann eine Verbindung zwischen dem Zug und dem Drehbuchautoren, vielleicht sogar den Hammer-Studios geben wird. Ob dem so ist, wird hier zwar nicht verraten, aber so viel sei gesagt: Auch ohne diese Kapitel wäre das Buch gut geworden.
Während der Zug sich seinen unaufhaltsamen Weg bahnt, die Passagiere gewollt und ungewollt ihren Weg gehen und sich ihrem Leben stellen, werden sie vor allem mit einem konfrontiert: Mit menschlichen Schwächen, um nicht zu sagen, mit dem, was man gemeinhin als Todsünden kennt. Da kommen dann nicht immer die schönsten Seiten zum Vorschein und während man sich bei der Lektüre noch fragt, warum eine der Hauptfiguren nicht endlich sein Verhalten ändert, kommt man irgendwann zu der Erkenntnis, dass jeder Mensch eine Schwäche hat, die ihn alles kosten kann – Freundschaft, Liebe, sogar das Leben.
Christoph Fowler hat einen spannenden Roman geschrieben und nimmt seine Leser gekonnt mit auf eine Reise, an deren Ende der Leser sogar für sich selbst eine Entscheidung treffen kann. Dabei legt der Autor hier und da gekonnt seinen Finger auf die Wunden der Gesellschaft, popelt in menschlichen Abgründen herum und beweist, dass selbst ein Priester kein Heiliger ist und auch Jungfrauen nicht ohne Sünde sind.
Christoph Fowler ist ein britischer Autor, der bereits mehrfach für seine Romane und Novellen ausgezeichnet wurde.
5/5
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Christopher Fowler – Der Höllenexpress
Luzifer Verlag, 2014
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