Hohenlohe rockt – zumindest ein bisschen
Angekündigt als die beste AC/DC-Coverband hat Barock immer wieder unter Beweis zu stellen, dass sie dem großen Original das Wasser reichen kann. Schaut man sich allerdings die Preise an, die verlangt werden, um die Australier zu sehen, und die geringe Zahl an Auftritten, wird die Menge an Personen, die einen direkten Vergleich ziehen können nur langsam größer. Insbesondere, weil es sicher viele Wiederholungstäter gibt. So sind auch in Ilshofens Arena sicher einige dabei, die beide Bands von früher kennen. Der Altersdurchschnitt liegt irgendwo zwischen Kegelverein und Frührente.
Aber fangen wir am Anfang an. Einlass soll um 20 Uhr sein und wie üblich dauert es etwas länger. Gegen halb neun bewegt sich die Besucherschlange an der einfach besetzten Kasse vorbei. Karteninhaber murren, weil sie durch diejenigen, die noch ein Ticket benötigen, aufgehalten werden. Letztere bekommen nur ein Papierbändchen ums Handgelenk – keiner meckert, weil ihm eine übliche Eintrittskarte verweigert wird. Der Mann von der Security sieht kompetent aus, kommt aber offensichtlich nicht mal im Ansatz auf die Idee, die Konzertgänger abzutasten oder gar Taschen zu durchsuchen. Wir sind auf dem Land, da muss man nicht so streng sein. Umso absonderlicher die Szene, die sich an der Garderobe abspielt. Dort wird gerade ein adretter junger Mann in die Geheimnisse der Jackenentgegennahme eingeführt, pro Kleidungsstücke eine Marke, bei zweien also zwei, bei dreien sogar drei! Der verständnislose Blick des Anzulernenden lässt die Erklärende ins Englische wechseln. Ein nötiger Schritt, der funktioniert, auch wenn klar wird, warum sie es nicht gleich so gemacht hat – ihr Englisch ist recht simpel, einfach zu verstehen, macht allerdings nicht den Eindruck, als wäre mehr möglich. Keine Zeit, weiter zu lauschen oder gar nachzufragen, denn die Schlange bewegt sich weiter in den Raum des Geschehens.
Die Rundhalle war den Tag über Teil einer Messe und die für das leibliche Wohl sorgenden Buden werden sogleich fröhlich frequentiert. Mit etwas Abstand sind vor der Bühne Biertischgarnituren aufgestellt. Die Ränge mit den eigentlichen Sitzplätzen dieser Mehrzweckhalle sind nur für VIPs. Hier hat sich schon viel abgespielt. Sportereignisse konnten auf der Großbildleinwand verfolgt werden, diverse Bands traten hier auf und gefühlt keiner der Humoristen, die ein Gastspiel gaben, verzichtete darauf zu erwähnen, dass sie auch als Besamungsstation genutzt wird. Heute also, als Höhepunkt des Messetages oder auch nicht, Barock!
Zeit vergeht. Eventuell in der Hoffnung, dass sich noch ein paar Menschen hierher verirren. Ein paar Nachtschwärmer treffen ein, ansonsten AC/DC-Fans im besten Alter oder darüber, ein paar, die man immer sieht, wenn etwas wie eine kulturelle Veranstaltung aussieht und wenige Unerschrockene, die wissen wollten, was hier so abgeht. Zumindest der Geldbeutel muss nicht zu sehr stöhnen, kostet die Karte doch weit weniger als ein Drittel dessen, was für ein Großereignis der Vorbildband zu zahlen wäre. Mittlerweile ca. 300 Besucher und auf der Bühne noch immer der DJ, der die Menge mit Klassikern des Rock und immer mal wieder einem Ausrutscher von z.B. In Extremo oder Manowar unterhält. Ein Blick in die Runde zeigt nur auf einem Bruchteil der Gesichter Erkennen. Leichter fällt das bei den Rolling Stones oder Camouflage. Nach einer dreiviertel Stunde nach der angekündigten Anfangszeit wird die zurückhaltende, leicht bierselige Stimmung erwartungsvoller und der eine oder andere Pfiff kündigt das baldige Ende der Geduld einiger Besucher an.
Mit fast einer Stunde Verspätung betritt die Band die Bühne. Die im Hintergrund auf der von AC/DC gewohnten Marshallbackline (Lautsprecher) stehenden Kanonen schweigen, es wird nichts eingespielt, völlig unspektakulär laufen die Musiker an die bereitstehenden Instrumente. Es geht los. Der Sound trifft die Erwartungen, ein Feuerwerk für die Ohren beginnt. Langsam bewegen sich die Ersten vor die Bühne, der eine oder andere sogar bis zur Absperrung, die bis eben arbeitslos war. Es werden mehr, fünf, zehn, bald haben sich zwanzig Person dem angeschlossen, was wie ein Zombiewalk wirkt, nur, dass sie ab einem gewissen Punkte auf der Stelle laufen.
Der Londoner Grant Foster kommt hervor und schreit sogleich das Mikrophon an, löst damit nicht nur Jubel, sondern auch Schmerzen in sensiblen Ohren aus. Die Qualität der Anlage hatte der DJ schon belegt, nun wird es lauter und es zeigen sich die Grenzen. Die Lautstärke (Ohrenstöpsel rein!) bewegt sich am Rand des für alle Beteiligten Erträglichen, die Beiträge der einzelnen Instrumente kommen gut rüber, der Stimme wird aber noch mehr Volumen eingeräumt und es wird streckenweise unangenehm. Gitarren und Bass verschmelzen ab und an unter dem Gesang zu etwas Undifferenzierbarem, ja schon fast einer Kakophonie. Im Alter lässt bekanntlich das Gehör nach und in diesem Fall scheint das mal etwas Gutes zu haben. Die Technik scheint sich des Problems allerdings anzunehmen und mit der Zeit werden die Störungen geringer, vielleicht haben sich die Gehörgänge aber auch nur daran gewöhnt und reagieren nicht mehr ganz so verschreckt.
Die Sache nimmt Fahrt auf. Nach ein paar Aufforderungen wird Foster deutlicher und moniert das Sitzfleisch des Publikums mit harschen Worten. Weitere Wellen Zombies finden sich vor der Bühne ein und wippen mit. Bei dem, was die Band abliefert, hätte es vielleicht keines Drucks bedurft, denn sie stehen den Australiern auf den ersten Eindruck in nichts nach. Der für viele unwiderstehliche Sound füllt die Halle bis in den letzten Winkel und spricht Kenner, Genießer und Interessierte gleichermaßen an.
Insbesondere Leadgitarrist Eugen Torscher inszeniert sich immer wieder selbst, indem er im Duckwalk die Stage durchquert oder eines seiner vielen Soli hinlegt. Jedes für sich ein Hinhörer, alle zusammengenommen ein deutliches Zeugnis für sein Können an seinem Oldtimer der Musikgeschichte. Die Band trägt nicht nur die passenden Outfits, Torscher also eine Schuluniform, wie sie Angus Young zu seinem Markenzeichen machte, weil er beim ersten größeren Auftritt nichts besseres in seinem Kleiderschrank gefunden hatte, sie spielt auf Originalinstrumenten aus den 60er Jahren. Können und Bühnenpräsenz des von einer Ecke zur anderen eilenden und springenden Schuljungen begeistern, lassen die Aufmerksamkeit sehr oft auf ihm liegen und darum wundert es umso mehr, dass er irgendwann, begleitet von einem deutlicher gewordenen Bass, die Hüllen bis zum blanken Hintern fallen lässt. Mag ja sein, dass das in der guten alten Zeit üblich war, hier, in der Mitte dieser mitreißenden Performance, wirkt es aufgesetzt, fast den Ablauf störend. So wundert es nicht, dass sich die Damen nicht wie bei solchen Darbietungen sonst eher üblich, in Seufzer, Schreien oder anderem ergehen. Sogar die Blicke scheinen eher irritiert denn interessiert und niemand wirkt betrübt, als diese extralange Entblätterung ihr Ende findet. Ab jetzt spielt er oben ohne.
Grant Foster übernimmt wieder und leitet mit einer weiteren anzüglichen Geste den nächsten Song ein. Überhaupt kommuniziert er gerne durch Gesten, richtet nur selten das Wort ans Publikum, animiert aber öfter zum Schreien oder Mitsingen. Stimmung und Enthusiasmus lassen das auch ohne weiteres zu und Grant ist zufrieden, lobt oft, auch wenn die ihm entgegenschallende Lautstärke auf anderen Veranstaltung eher mäßig erscheinen dürfte. Die drei anderen Musiker halten sich sonst stark im Hintergrund, bis auf die wenigen Male, bei denen Rhythmusgitarrist Patrick Caramagno und Bassist Baba Hail an ihre Mikrophone treten und stimmlich unterstützen. Zu Beginn fällt auch das der unbefriedigenden Aussteuerung zum Opfer, später sind die Stimmen deutlicher zu hören, machen aber wenig Unterschied im Gesamteindruck.
Trotzdem ist zumindest der Bassmann ein stiller Pluspunkt für den aufmerksamen Beobachter. Teilweise nach Blickwechseln mit Foster, manchmal motiviert durch das Geschehen auf der Bühne und durchaus auch einfach so zeigt Hail, was er von der Sache hält. Er grinst, verdreht die Augen, sieht deutlich gelangweilt oder begeistert aus, was ihn sehr sympathisch macht und ihn etwas von den Anderen distanziert erscheinen lässt. Einfach witzig und vielleicht nur deshalb möglich, weil er bei seiner Arbeit unterfordert wirkt. Hin und wieder scheint er auch ungeduldig, als würde er gerne loslegen, in den nächsten Gang wechseln oder einfach nur ein Solo hinlegen. Leider bleibt ihm das versagt, auch wenn er in einigen Parts mehr zu tun hat, ganz allgemein, weil es das Lied fordert oder wenn er bei besonderen Stellen unterstützend tätig wird. Ähnliches gilt für Caramagno, der aber näher an ein eigenes Solo herankommt.
Ansonsten fallen er und Schlagzeuger Erwin Rieder nur durch ihr ziemlich ähnliches Äußeres und die Unart auf, auf der Bühne zu rauchen. Insbesondere mit der Kippe im Mund, nicht im Mundwinkel, am Mikrophon zu stehen, erscheint irgendwie wenig durchdacht. Es kann natürlich sein, dass es sich dabei um ein Statement (immerhin verklagt ein großer Zigarettenkonzern gerade Australien) oder die naturgetreue Nachbildung ihrer Vorbilder handelt, aber das kam dann nicht deutlich genug rüber.

Der letzte große Hingucker schwebt über der Szenerie. Die Glocke, die für den Song Hells Bells herabgelassen und von Foster in Bewegung gebracht wird. Damit das nicht schief geht, steht drauf, bei welchem Lied zu läuten ist und darüber der Bandname. Der Strick baumelt die sonstige Zeit deutlich über Kopfhöhe, kann also richtig fotografiert wie die drohende Schlinge eines Henkers erscheinen.
Gegen Ende wird das bekannte „T.N.T“. intoniert und eine Konfettikanone mit glitzernden Streifen sorgt für etwas Farbe und Bewegung in der Luft. Ohne „Thunderstruck“ und „Highway to Hell“ gespielt zu haben, verlässt die Band die Bühne.
Die Zugabe beginnt dann wenig überraschend, aber Vorfreude schürend mit Donnergrollen. Die Menge geht deutlich mit und freut sich sichtlich auf die folgende Fahrt zur Hölle. Zu guter Letzt werden endlich die Kanonen abgefeuert, erst gemütlich nacheinander, dann schneller und mit einer Breitseite endet die fulminante Show.
AC/DC-Fans kommen sicher auf ihre Kosten und auch andere Freunde der härten Musik werden einen Besuch bei dieser Band nicht bereuen.
Nun zu der entscheidenden Frage, kann man sich einen Besuch des Originals sparen? Für viele mag schon der Gedanke an Hochverrat grenzen, aber es gibt dafür durchaus Argumente. Die Jahre sind an der Band nicht spurlos vorübergegangen, der nach einem Schlaganfall ausgetretene Malcolm Young (ihm wurde von Barock und Publikum gute Besserung gewünscht) wird durch seinen Neffen Stevie ersetzt (spielte schon in der Band) und der Preisunterschied wird für viele ebenfalls relevant sein.
Aber es kann genauso gut passieren, dass der Besuch eines Barockkonzerts die Neugier auf AC/DC schürt, besonders dann, wenn man noch nicht das Vergnügen hatte. Dann bleibt wohl nichts anderes übrig, als sich beide live anzuschauen und dann selbst den Vergleich zu ziehen.
3/5
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