Am zweiten Tag eröffnen Sündenklang das DMF. Das Nebenprojekt von Stahlmann-Fronter Mart zieht natürlich auch die Fans der Silbermänner an und so muss die Formation doch nicht vor einer leeren Theaterfabrik spielen. Allerdings erkennt man trotzdem, dass sich die Besucher bei der ersten Band noch etwas schwer tun und eben nicht die Halle bis auf den letzten Platz füllen. Das muss aber auch gar nicht sein, denn Mart legt eine gute Show hin und ist mit viel Enthusiasmus dabei. Das Publikum wird ordentlich in Stimmung gebracht und schnell ist die Müdigkeit, die eventuell noch vorhanden gewesen ist, vergessen. Nach dem langen Intro geht es los. Leider versteht man oftmals den Gesagt nicht. Es ist eher ein Tonbrei, der vermischt wird mit Instrumenten, die vor allem eins tun: Krach machen. Ein bisschen fehlt es am Wohlklang, was entweder falscher Einstellungen oder einer etwas zu leeren Theaterfabrik geschuldet ist. Doch das stört nur wenige. Die meisten haben trotzdem ihren Spaß und jubeln ordentlich mit. Das liegt vor allem Charisma des Sängers, der auch nicht locker lässt, das Publikum anzuheizen.
Der zweite Tag beginnt mit Sündenklang in der Theaterfabrik. Sonst ist Sänger Mart als Vorsänger von Stahlmann unterwegs, deren harter Deutschrock sich auch in Sündenklang wiederfindet. Zuschauer sind es zu dieser frühen Zeit bereits an die 300, was dem Feiertag geschuldet ist. Die Band macht ordentlich Dampf und den Leuten gefällt das … mir auch. Ein schöner krachender Anfang, der Lust auf den kommenden Abend macht.
In der Garage geht es mit Besuch aus dem Norden weiter. Was ich nicht gedacht hätte: Es wird voll. Rummelsnuff schienen mir eher die liebevollen Außenseiter zu sein, die sich nur eine Handvoll Festivalbesucher ansehen würden. Weit gefehlt und bald wird auch klar, warum. Mit seiner derben Strommusik, dem liebevollen Teddybär-Auftreten und den Texten über Arbeit, Sport und alte Zeiten grummelt sich Rummelsnuff schnell in die Herzen der Zuhörer und Fans. Maat Asbach hingegen wirkt wie Asterix auf Speed, starrt mit weit aufgerissenen Augen und einem irren Lächeln ins Publikum und zieht immer wieder neue Grimassen, so dass man ihm nur staunend zusehen kann. Energisch deutet Rummelsnuff mehrfach an, die Nebelmaschine nicht zu benutzen und es dauert eine Weile, bis diese Aufforderung verstanden wird. Dann geht es weiter unter dem Applaus der Anwesenden. Zwischendurch wird auch mal geschunkelt. Es ist ein Auftritt, den man weniger erwartet hätte, der aber voll einschlägt. Eine echte Überraschung des gesamten Festivals.
Bekannt von ein paar wenigen Youtubevideos, die mich als Konserve eher nicht so begeistern konnten, steht nun Roger Baptist alias Rummelsnuff nebst Mitstreiter Christian Asbach auf den Brettern der Garage. Seltsamerweise ist die Garage mehr als gut gefüllt … es ist fast ruammelvoll. Los gehts etwas verhalten mit einem Konglomerat aus Arbeiterliedern, Seemannsmelodien und Deutschpunk. Rummelsnuff, ein ehemaliger Bodybuilder, gleicht in Mimik und Gestik einer Mischung aus Matrose und Das Ding von den Fantastic Four aus den Marvel-Comics. Wenn er krampfhaft ernst schaut, muss man sich ein Lachen fast verbeißen. Das Lachen verkneifen kann sich dagegen auf keinen Fall sein Kompagnon Asbach. Was der an Grimassen abzieht, lässt keinen kalt. Ebenso der Sound der beiden … ich würde den als Dampfschiffs-Seemanns-Schunkelei bezeichnen. Live kommt das Gesamtpaket sensationell gut rüber. Ich bin begeistert wie einem solch ein skurriles Gemenge an Show und Sound einfallen kann. Begeistert bin nicht nur ich … fast alle Gäste bejubeln den Auftritt.
Ein bisschen an Visage erinnern Psyche, die nicht ganz so viel Publikum begeistern können, wie ihre Vorgängern. Es sind in der Tat recht ruhige, eintönige Klänge mit einer eher mauen Performance. So richtig Stimmung mag nicht aufkommen. Es fehlt an den wirklich mitreißenden Tönen.
Die kanadische Band Psyche, die als nächste spielen, sind altgediente Haudegen. Von Sänger Darrin Huss bereits 1982 gegründet, macht das Duo rockigen Synthiesound a la Future-Pop. Etwas ruhiger vom Sound her, verausgabt sich Huss auf der Bühne komplett. Ruhig stillstehen geht definitiv anders. Ganz nett würde ich den Auftritt einstufen … ich hab aber schon viel schlechtere Bands gesehen. Die beiden können was und den Leuten gefällt’s.
Schramm lassen wir aus – auch Stage Reptiles müssen mal was essen. Dafür sind wir für X-RX wieder am Start. Jetzt geht es richtig los! In der Theaterfabrik haben sich die „Stampfer“ versammelt und warten auf knallharten Beat, der sich prima mitstampfen lässt. Ihr Stil wird teilweise als Techno bezeichnet, was so manch einer der Anwesenden gar nicht gerne hört. Schließlich sind die Raver ein ganz eigenes Völkchen, von dem man sich gerne abgrenzt. Gegen die harten Rhythmen wehrt man sich dennoch nicht, sondern lässt sich mittragen und tanzt sich die Seele aus dem Leib. Endlich kommen auch die fluoreszierenden Armbänder und Leuchtstäbe zum Einsatz. Beim Blick durch das Publikum kann man einige Tanztalente erkennen, andere lassen sich einfach von der Musik treiben und folgen dem harten Bass. Es gibt keine Regeln, nur die Musik und den Tanz, der einem selbst gefällt.
Dem Füllungsgrad der engen Garage Quittung zollend, lassen wir den Auftritt von Schramm sausen. Reptilienfütterung in der Nachtkantine war angesagt.
Das Duo [X]-RX um Pascal „Cyrex“ Beniesch und Jan „Sine-x“ Teutloff hat mir schon beim DMF 2012 eher nicht so gefallen. Zu viel technoides Gestampfe, das aber beim Publikum stets ankommt. So auch dieses Jahr – die beiden Jungs werden von der mittlerweile 3/4 vollen Theaterfabrik gefeiert, wie die sprichwörtlichen Weltmeister. Durch anfeuernde Gestiken stimmt die Interaktion zwischen Band und Publikum komplett. Ausgefeilte Songstrukturen sucht man hier vergebens. Hier ist tanzen und feiern im Hardstyle-Techno-Beat angesagt.
Wenn ich mich recht erinnere, waren Mundtot schon einmal auf dem DMF. Damals noch mit der legendären Ananas und ein paar Soundproblemen. Mittlerweile ist einige Zeit vergangen und die junge Band hat sich hörbar weiterentwickelt. Tino gibt sich kreativ beim Soundcheck und singt spontane Textänderungen zu einem bekannten Song. Die Münchner zeigen sich düster mit kraftvollem Sound und präsentieren sogar einen Song aus ihrem neuen Album „Zu spät“ oder so ähnlich soll er heißen, man ist sich noch nicht ganz einig. Vorfreude auf die neue Scheibe macht die Vorstellung aber auf jeden Fall. Mundtot performen gut und ziehen die Garage mit, sprechen gekonnt das Publikum an und verbreiten gute Laune. Weiter so!
Die Münchener Band Mundtot um den Sänger Tino Wagner sind nach 2013 auch wieder dabei. Rockiger Sound, der von abstrakten Keyboardsounds von Maskenmann Cesco begleitet wird, bringt die volle Garage schnell in Wallung. Lustig war schon der öffentliche Soundcheck als eine Ansprache an das Publikum zu einem Songtext wurde. Zeilen a la „Wenn ihr den kompletten Auftritt sehen wollt, müsst ihr bis zum Schluss bleiben“ wurden kurzerhand zu Lyrics umfunktioniert. Eine lustige Kleinigkeit, die aber ankam … ebenso wie der Auftritt.
In der Theaterfabrik kommt man indes nicht zur Ruhe. Schuld daran sind Klangstabil. Die deutsche Elektronik-/Industrial-Formation hat einige Kilometer abzureißen. Zumindest bekommt man den Eindruck, wenn man Boris May auf der Bühne beobachtet. Der Sänger läuft von rechts nach links und zurück, nimmt damit zwar die gesamte Bühnenbreite ein, macht aber einen unruhigen und rastlosen Eindruck. Das Herumgelaufe passt auch nicht zum Sound, da wäre ein bisschen tänzerische Bewegung eher angebracht. Für mich bleibt nichts hängen, außer einem irgendwann sehr genervten Gefühl – vom Herumgerenne.
Eine der Bands, auf die ich mich schon im Vorfeld freute, waren Klangstabil aus Süddeutschland. Bereits 1994 von Keyboarder Maurizio Blanco und Sänger Boris May gegründet, waren sie durch Tracks wie „Vertraut“ und „You may start“ aus den schwarzen Clubs wohlbekannt in der Szene. Los ging´s mit Keyboardsamples aus den elektronischen Gerätschaften des Herrn Blanco, der übrigens visuell ausschaut wie eine Reinkarnation des seeligen Louis de Funes. Als May auf die Bühne kam, sich am Rande seine Socken auszog und barfuß wie ein Tiger im Käfig die ganze Breite der Bühne nutzend mit dem Text anfing, ging das Publikum sofort mit. Für uns Fotografen war’s ein wahrer Husarenritt, den Sänger per Kamera einzufangen. Still stehen konnte der so gut wie fast gar nicht. Rummzappelnd, die nicht vorhandenen Haare raufend, brachte May den druckvollen Elektrosound mit Industrial-Anleihen gut rüber. Völlig zu Recht wurden die beiden von der vollen Theaterfabrik abgefeiert.
SadoSato haben wir nicht gesehen. Bereits im Vorfeld hatte mich die Formation aus Österreich nicht sonderlich ansprechen können. Vom Publikum erhält man unterschiedliches Feedback.
Garage voll, SadoSato drin, die Stage-Reptiles draußen. Eine der wenigen Bands, die wir sausen ließen, um eine kleine Pause im Berichterstatterstress einzulegen.
Die nächsten Österreicher stehen in der Theaterfabrik auf der Bühne. Viele hatten sich auf das Projekt von Thomas Rainer gefreut und entsprechend voll wird es in der Theaterfabrik, als Nachtmahr auftreten. Mit hartem Aggrotech begeistert die Band die Anwesenden und animiert zu schnellem, ausdrucksstarken Tanz. Links und rechts neben dem Sänger stehen zwei Mädchen in Uniform, die ab und an mal trommeln und meisten ausdruckslos nach vorne starren. Der militärische Teil der Show wird von den Fans gerne durch das Outfit und mit entsprechenden Bandshirts unterstützt. Trotzdem merkt man deutlich, dass sich gerade bei Nachtmahr die Geister scheiden. Manche verlassen bereits nach ein paar Songs die Theaterfabrik mit dem Kommentar: „Hab ich jetzt auch mal gesehen, muss ich nicht haben.“ Zum Stampfen reicht’s und vermutlich muss man sich mit der Band und den Liedern einfach intensiver beschäftigen, was bei einem Festival kaum möglich ist und nur im Nachgang geschehen kann.
L´Ame Immortelle waren gestern dran, aber Sänger Thomas Rainer ist mit einem Teil der Mannschaft gleich da geblieben, um mit seinem zweiten Projekt Nachtmahr live abzufeiern. Dem Titel ihrer 2010er EP „Mädchen in Uniform“ folgend verbreiteten zwei Mädels in Uniformen in schwarz/weißem Militär-BDM-Style hinter Pauken stehend einen gewissen Military-Folk-Touch. Hellectro-Aggrotech mit leicht rockigen Einflüssen, auf die Rainer seine Textzeilen in bester Rappermanier ins Mikro schrie, gab’s geboten. Bei einem guten Teil der Gäste kam das sehr gut an. Manchen war das zu platt, und wieder andere fühlten sich vom martialischen Militärstil zu sehr an das braune Treiben vor 75 Jahren erinnert. Mir hat er zu viel geschrieen, der Herr Rainer, aber die beiden Mädels, die mit Supersoaker-Wasserwerfern bewaffnet dem Militärstil gemäß das Publikum etwas nass machten, waren optisch durchaus ansprechend und machten Spaß.
Die letzte Band in der Garage, Klutae, ist das Nebenprojekt von Leaether Strips Claus Larsen. Viele freuen sich darauf und manche müssen draußen bleiben, weil es einfach zu voll ist. Ich versuche gar nicht erst, in die Garage zu kommen.
Zum Glück bin ich früh genug rüber in die kleine Garage gepilgert und konnte Klutaes Sänger Claus Larsen dabei zusehen, wie er vor der Bühne erstmal Fan-Kontaktpflege betrieb. Nett ist er ja wirklich, der Claus, sonst in Sachen Leaetherstrip eher industrialmäßig unterwegs, auch wenn er gleich drauf auf der Bühne das wilde, rastlose Tier mimt, das zu harten Elektrobeats, die mit Gitarrensamples vermischt sind, die Sau rauslässt. Da bleibt kein Auge trocken und kein Fuß steht still. Mitzappeln war angesagt, sofern man etwas Platz fand. Band gut, Publikum gut, Auftritt gut.
Dafür freue ich mich auf Hocico, den Headliner des Abends. Am Tag zuvor gab es ja bereits von Rabia Sorda auf die Ohren, der anderen Band von Erk Aicrag. Dieser entert mit Maske die Bühne und ballert mit einem unverwechselbaren Sound drauf los. Die Halle ist voll und das Publikum hoch erfreut über diesen Auftritt. Brachiale Bässe und Electroklänge bohren sich in die Gehörgänge, Erk fegt über die Bühne, animiert die Zuschauer, posiert vor den Fotografen, brüllt sich die Seele aus dem Leib und grinst schließlich, als der Song vorbei ist und die Maske fällt. Die Musik ist sehr laut und stellenweise würde ich sie als aggressiv bezeichnen – was dann auch der Genrebeschreibung alle Ehre macht. Aggrotech oder Harshelectro – wie auf der Facebookseite bezeichnet – vom Feinsten wird präsentiert und das Publikum tobt regelrecht und feiert den Mexikaner. Kollege Racso Agroyam zieht seine Show im Hintergrund ab, wird aber nicht minder gefeiert. Wenn man Hocico holt, scheint es eine absolut sichere Bank für guten Aggrotech zu sein, bei dem jeder richtig abgehen kann.
Wie auch Thomas Rainer ist unser mexikanischer Freund Erk Aicrag, am Vortag schon mit Rabia Sorda agierend, ebenfalls dageblieben, um mit seinem Hauptprojekt Hocico den Headliner des zweiten Tages zu geben. Aufbauend auf den Keyboardsounds von Rasco Agroyam tanzt und schreit sich Erk vorne an der Bühne die Seele aus dem Leib. Anfangs noch mit einer Maske aus Metallgeflecht gewandet, fegt der kleine Wirbelwind über die Bühne als gäb’s kein Halten mehr. Die Theaterfabrik ist fast knallvoll und die Cybergothen mit ihren Plastikdreadlocks sind mit Leuchtstäben und Blinklichtern bewaffnet, tanzend in ihrem Element. Harsh-Electro ist zum Stampfen da und das tun sie ausgiebig. Ruhig dastehen können die wenigsten, zu sehr reißt einen der Sound mit. Ein würdiger Abschluss des zweiten Tages war da zu erleben.
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