Udo Lindenberg – was gibt es eigentlich noch zu schreiben über den ewigen Panikrocker, das noch nicht geschrieben worden ist? Der Spruch über den Wein, der besser wird je älter er ist vielleicht? Passt nicht … Udo Lindenberg war ja eigentlich schon immer sein eigener Massstab. Das einzige Manko war, dass er zu seinen alten Zeiten in den siebziger Jahren sehr oft belächelt wurde. Die Fans standen aber zu allen Zeiten unverbrüchlich hinter ihm, auch wenn Udos Lieder von der breiten Masse oft nicht ernstgenommen wurden. Zu obskur war (und ist) sein Auftreten auf der Bühne und in der Öffentlichkeit. Mittlerweile ist er aber an der Spitze des breiten Geschmacks angekommen, obwohl er sich in keinster Weise verändert hat. Die Veränderung fand in seinem Publikum statt. Udo ist mittlerweile Kult.
Stärker als die Zeit ist das mittleweile 35. Studioalbum des gebürtigen Westfalen. Mit an Bord ist wie immer sein legendäres Panikorchester, das aber sehr spartanisch in Aktion tritt. Zu intim sind manche Songs, wenn man „lindianische“ Masstäbe anlegt.
Los gehts mit „Durch die schweren Zeiten“, ein Liebeslied, in dem er an der Seite seiner Partnerin durch alle Widrigkeiten des Lebens geht. In „Plan B.“ erzählt Udo, dass er sich in keinster Weise an den Rest der Leute angleichen wird. Er hat „seinen“ eigenen Masterplan, aber keinen Plan B. „Konsequenz hat einen Namen und der fängt mit U. an“. Udo zieht einfach sein ureigenes Ding durch. Der dritte Song „Einer muss den Job ja machen“ handelt von Udos Sicht auf sein Leben als Rockstar, inklusive Alkoholabsturz in die Versenkung und Wiedergeburt als Phönix aus der Asche. Zeilen wie „20 Jahre Suff und weg, dann war er ready für sein Comeback“ sagen alles aus. „Eldorado“ erzählt vom Auf und Ab eines Rockstars. Wenn man meint, man hat endlich alles erreicht und ist angekommen und stellt dann fest, dass ja doch wieder der nächste Berg, das nächste Tal kommt. Ein netter Einfall ist das kurz anklingende Mundharmonikathema aus Spiel mir das Lied vom Tod. Mit „Göttin sei Dank“ ist wieder ein orginal lindianisches Liebeslied am Start. „Du bist meine Göttin vom Himmel gesandte Komplizenbraut. Du bist meine Göttin, die mich aus meinen grünen Socken raushaut.“ Mehr Udo geht kaum. Sehr intim wird es bei „Der einsamste Moment“. Die Minuten, in denen Udo ganz allein ist. Kurz bevor er die Bühne betritt, nach dem Konzert allein im Hotelzimmer, immer die Zweifel, ob er sein Publikum erreicht mit seiner Message, während draußen die Welt im Chaos versinkt. Wenn man den Text von „Blaues Auge“ liest oder hört, weiß man, wie Udo tickt. Er ist immer seinen Weg gegangen, auch wenn er so manches blaue Auge dafür einstecken musste. Er würde nichts ändern, wenn er den Weg nochmal gehen müsste. „Mein Body und ich“ ist eine Hommage an seinen Körper, der in seiner langen Karriere eigentlich alles einstecken musste, was ein Rockstarleben so beinhaltet. Alkohol und Drogen aller Art, und trotzdem hat Udo alles überlebt. „Wenn du gehst“ handelt von dem Moment, wenn einen der Partner verlässt und einem das so richtig klar wird. Die Zeit scheint stillzustehen und nichts hat mehr einen Sinn. In „Coole Socke“ erzählt uns Udo, dass man Selbstvertrauen haben muss, um alles zu erreichen, was man sich wünscht. Man muss ne coole Socke und kein verstocktes Etwas sein, um was zu erreichen. Einen Tipp zu einer positiven Lebenseinstellung bildet der Text zu „Muss da durch“. Egal wie oft du hinfällst, steh wieder auf. Egal welche Narben dir das Leben verabreicht, trag sie mit Stolz und weiter geht’s vorwärts. Eines (hoffentlich) fernen Tages wird auch das Leben des Panikrockers zu Ende gehen und vielleicht erst dann werden die Menschen hier merken, was sie mit Udo hatten. „Wenn die Nachtigall verstummt“ handelt von diesen fernen Zeiten. Der Körper geht, aber seine Lieder werden bleiben. „Kosmosliebe“ handelt von zwei Astronauten, die von ihren Ländern losgeschickt worden sind, um neue Reiche zu erobern. Scheiß drauf, was unten auf der Erde passiert, egal ob sich unten alle die Schädel einschlagen im Rennen der Macht. Zwei Herzen im Universum, denen alles Kriegerische fremd ist. Nur die Liebe bleibt. Mit Musik geht alles besser, möchte uns Lindenberg mit „Dr. Feeel Good“ sagen. Egal wie übel du drauf bist. Hau dir ne gehörige Dosis Rock’n’Roll rein und die Welt schaut wieder rosig aus. Der Abschluss des Albums bildet der Titeltrack „Stärker als die Zeit“. Der Moment wenn man seine(n) Lebenspartner gefunden hat. Damit kann sowohl die Liebe als auch die Freundschaft gemeint sein. Dieses Gefühl wird alles überdauern. Mit Genehmigung der Erben von Komponist Nino Rota verwendete Lindenberg als Leitmotiv das Musik-Thema der Verfilmung von Der Pate.
Zwölf Songs, die eigentlich eine Autobiografie des Udo Lindenberg bilden. Als Gasttexter waren Benjamin von Stuckrad-Barre, Sera Finale, Simon Triebel, Alexander Zukowski, Justin Balk, Sebastian Wehlings und Tobias Kuhn mit von der Partie. Stärker als die Zeit ist erst das dritte Album, welches die Nummer Eins der deutschen Charts erreicht, das aber zu recht. Über Udo scheiden sich die Geister. Man liebt ihn oder er ist einem egal oder wird sogar für sein Getue gehasst. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sein neuestes Werk ein sehr starkes Album ist, das zu recht die Höchstnote verdient.
5/5
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Udo Lindenberg – Stärker als die Zeit
WM Germany, 2016
CD: 7,99 €
Tracklisting:
01 – Durch die schweren Zeiten
02 – Plan B.
03 – Einer muss den Job ja machen
04 – Eldorado
05 – Göttin sei Dank
06 – Der einsamste Moment
07 – Blaues Auge
08 – Mein Body und ich
09 – Wenn du gehst
10 – Coole Socke
11 – Muss da durch
12 – Wenn die Nachtigall verstummt
13 – Kosmosliebe
14 – Dr. Feeel Good
15 – Stärker als die Zeit
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