Ben lebt am Rande der Westernstadt Godly Gulch, die seit vielen Jahren in Dürre und Elend ausharrt. Niemand darf den Ort verlassen, weil er dann den Zorn Gottes auf sich zieht – und das bedeutet den sicheren Tod. Als der Hunger und vor allem die Wasserknappheit zu groß werden, taucht ein Fremder auf und verspricht, die Stadt von Gott zu befreien …
Fred Ink ist bekannt für seine Horrornovellen, die an den großen H. P. Lovecraft angelehnt sind. Dabei hat er ein gutes Händchen dafür, die gleiche bedrohliche Stimmung aufkommen zu lassen. Immer wieder schwebt etwas über seinen Geschichten, das man nicht richtig greifen kann, aber jede Menge Spannung aufbaut. Wer Lovecraft gut kennt, sieht deutliche Anlehnungen an den großen Meister des Horrors und den Aufbau der Geschichten. Das schadet aber gar nicht. Das mulmige Gefühl, das Düstere und teilweise geradezu Hoffnungslose in den Novellen, lässt einen nicht mehr los. Natürlich sehnt man sich immer nach der Auflösung und einem Happy End – ob es dazu kommt, sei nicht verraten.
Der Untergang von Godly Gulch ist dabei eine Art Parabel, die zeigt, dass Macht und Ohnmacht immer einander bedingen. Es muss in der größten Not und Drangsal nur jemand auftauchen, der Besseres verspricht. Ben, der mit seiner Mutter auf einer Farm lebt und nichts von der Welt kennt, außer das kleine Godly Gulch und die ständige Bedrohung, folgt natürlich gerne. Erst am Ende erkennt er etwas Wichtiges:
„Wann immer Sie einem Menschen begegnen, der behauptet, er habe die Lösung für all Ihre Probleme; einem Menschen, der verkündet, er allein wäre in der Lage, die Dinge zum Besseren zu wenden und der es dabei nicht scheut, andere gegeneinander aufzuhetzen und zur Gewalt aufzurufen, so leisten Sie Widerstand!“
Es ist ein Statement, ein Fazit für Ben, aber gleichzeitig ein Fazit für die Gesellschaft und aktuelle Politik. Eine allgemein gültige Warnung. Im Grunde hat der Autor in den Untergang des kleinen Städtchens den Untergang großer Reiche gepackt und damit einen Blick auf die Weltgeschichte und die Anführer und Machthaber geworfen. In einfachen Worten und in einer packenden Novelle beschreibt Ink, wie man von einem Unterdrücker zum nächsten gereicht wird, weil man sich auflehnt – aber im falschen Maße. Hierin steckt mehr als nur ein kurzer Zeitvertreib, in dieser Novelle stecken Tiefe und ein wichtiger Aufruf.
5/5
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Fred Ink – Der Untergang von Godly Gulch
Independent, 2017
142 Seiten
Taschenbuch: 6,95 €