Laura und Cingiz. Eine Liebesgeschichte gegen jede Vernunft, gegen Regeln und Normen – aber mit ganz viel Gefühl und offenen Herzen. Als Laura sich nach dem Krieg auf den Fremden einlässt und mit ihm durchbrennt in ein unbekanntes Land, lernt sie eine fremde Kultur kennen und flüchtet bald darauf wieder aus der Türkei nach Deutschland. Doch der Jadefalke lässt sie nicht los und ihr Herz wird immer ihm gehören …
Holly Loose ist vor allem bekannt als Sänger der Formation Letzte Instanz. Mit sanfter Stimme schmettert er seine nachdenklichen und aufrüttelnden Texte ins Mikro und steht nach den Konzerten gerne noch bei den Fans. Ich selbst habe ihn als ruhigen, nachdenklichen Menschen mit unglaublicher Ausstrahlung und großem Herz kennen- und vor allem schätzen gelernt. Dass er auch Bücher schreibt, war mir weniger bewusst und als ich vor ein paar Jahren darauf stieß, scheute ich mich, Das weiße Buch des Jadefalken zu lesen. Manche Bücher brauchen Zeit und vor allem den richtigen Zeitpunkt, um gelesen zu werden. Nun habe ich mich an das Buch herangewagt, zu einem Zeitpunkt, als Holly Loose verkündet hatte, nie wieder aus diesem Buch vorzulesen. Das war nach dem berüchtigten Referendum in der Türkei, dessen Ergebnis ihn genauso wie viele andere getroffen hat.
In die Welt von Laura und Cingiz einzutauchen, empfiehlt sich. Man begibt sich mit Laura auf die Reise an der Seite des Fremden, spürt die Angst, die Ungewissheit, die Beklommenheit, ob es wirklich richtig gewesen ist, einfach so von zu Hause weg zu gehen, ohne Abschied, ohne Aussicht auf Rückkehr. Die junge Frau interessiert sich sehr für die Türkei und die dortige Kultur, versteht manches nicht sofort und muss sich umstellen, sich daran gewöhnen, dass es in Deutschland ein wenig liberaler zugeht. Doch glücklich ist sie nicht und schließlich verlässt sie Cingiz – doch ihr Herz bleibt zurück.
Nein, es wird nicht zu viel verraten, denn das Buch ist damit noch lange nicht zu Ende, nicht einmal die Hälfte hat man geschafft, wenn Laura der Türkei den Rücken kehrt. Loose schafft es ohne Umschweife, ohne Forderung und Besserwisserei, ein romantisches, ein stimmiges und liebenswertes Bild zweier Kulturen zu malen. Wortreich, mit viel Gefühl bringt er dem Leser eine Kultur näher, die damals wie heute so viele scheinbare Gegensätze zeigt, so viel Ablehnung und Abneigung hervorgerufen hat. Das weiße Buch des Jadefalken ist eine Liebeserklärung nicht zuletzt an die Liebe, aber vor allem an die Kulturen, an die Unterschiede und vor allem an die Gemeinsamkeiten, die so viele nicht sehen wollen.
Mittendrin gibt es einen Ausflug in die beiden Weltreligionen Christentum und Islam, die prägend für die Kultur von Deutschland und der Türkei gewesen sind. Durch sorgfältig ausgesuchte Suren und Bibelstellen wird deutlich, dass Koran und Bibel nicht weit voneinander entfernt sind, sich nicht gegeneinander ausspielen und vor allem: Dass keines der Bücher, keine der beiden Religionen hasserfüllter ist. Beide sind gleich in ihrem Denken, in ihren Worten und in ihrem Sinn. Dass es Abweichungen gibt, ist bekannt, aber es geht einmal nicht um die Unterschiede, sondern um die Gemeinsamkeiten.
Das weiße Buch des Jadefalken ist eine Liebeserklärung an die Völkerverständigung, den Frieden und die Nächstenliebe. Das Buch ist eine mitreißende, innerlich wärmende Geschichte, die zum Nachdenken anregt – und die man lesen sollte, um zu verstehen und sich dem Fremden hin zu öffnen. Nicht ohne die eigene Meinung, aber ohne unüberwindbare Mauern. Und genau aus diesem Grund, lieber Holly, darfst Du niemals damit aufhören, aus diesem Buch vorzulesen. Die Welt braucht Träumer und Geschichtenerzähler. Die Welt braucht Hoffnung.
5/5
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Holly Loose – Das weiße Buch des Jadefalken
Periplaneta, 2009
214 Seiten
Taschenbuch: 13,90 €
Ebook: 5,99 €