Meine Kämpfe wollte ich lesen, bevor ich überhaupt wusste, worum es geht oder Alexander Bedranowsky kannte. Warum? Weil das Cover so unglaublich ist. Es gibt viele Cover mit Blut, Narben, Gewaltdarstellungen, aber wenige, bei denen die Verletzungen echt sind und nicht nur hingeschminkt. Narben erzählen Geschichten und die von Bedranowksy erzählen von einer wahnsinnige Wrestlingkarriere. Als Thumbtack Jack macht der Autor nicht nur in Deutschland das Ultra-Violent-Wrestling bekannt. Schonungslos werden Training und Kämpfe beschrieben, Auswahl und Einsatz der Gimmicks, die für reichlich Blutverlust sorgen. Als Leser erhält man einen guten Einblick in die Wrestlingwelt und erfährt sehr genau, wie die Matches aufgebaut werden. Das Storytelling ist ein wichtiger Teil eines Matches und auch wenn manche das negieren oder nicht als ganz so wichtig empfinden, es gehört dazu. Krass werden die Verletzungen und der Drang, immer härter zu kämpfen, immer krassere Gimmicks einzusetzen, dargestellt. Die Schonungslosigkeit, mit der Bedranowksy seine Karriere schildert, grenzt an absoluter Verantwortungslosigkeit sich selbst gegenüber. Erst gegen Ende des Buches erlebt der Leser, dass Thumbtack Jack sich endlich Gedanken um sich selbst und seine Gesundheit macht. Leider muss er seine Karriere anders als geplant beenden wegen eines Wirbelsäulenbruchs – bei dem er mehr Glück als Verstand hatte -, aber man kann wohl sagen, dass er sie lebend beendet hat, wenngleich stark gezeichnet. Die Lektüre ist emotional. Man bekommt hin und wieder Tränen in die Augen, weil man mitfühlt und weil man vor allem auch die Gefühle zum Schluss, als es vorbei ist, so deutlich geschildert bekommt, dass man nicht anders kann. Sicherlich ist Meine Kämpfe keine Biographie für die breite Masse, weil viele es gar nicht verstehen würden, was Bedranowsky antreibt und warum er sich mit Leuchtstoffröhren und Spritzen attackieren lässt. Es sind Träume und Aktionen, die man als Wrestlingfan versteht – und einen Teil davon sogar nur als Wrestler. Wrestling ist wie eine Droge und wenn man einmal süchtig ist, ist der Ausstieg schlimmer als der Tod.
Die Biographie ist nicht nur ein guter Einblick in zehn Jahre deutsche Wrestlinggeschichte, sondern zeigt auch ein Wrestlerleben, das sich hauptsächlich im Ultra-Violence-Bereich abspielte – ein bisschen härter und blutiger als das meiste, das man aus dem Fernsehen kennt, wenn bei Wrestlemania der Undertaker wieder auftaucht und dadurch sogar im Sportteil der Tageszeitung Erwähnung findet. Lesenswert, wenn man etwas härtere und blutigere Bücher vertragen kann.
Eine dringende Warnung: Psychisch labilen Personen, die zu selbstverletzendem Verhalten neigen, ist von der Lektüre abzuraten! Das Buch enthält durch die drastischen Beschreibungen und die Bilder im Mittelteil des Buches, zahlreiche potentielle Trigger!
Und wie immer im Wrestling gilt: Don’t try this at home!
5/5
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Alexander Bedranowsky – Meine Kämpfe
Periplaneta, Edition Subkultur, 2011
252 Seiten
Taschenbuch: 16,50 €
Vielen Dank Periplaneta für das Rezensionsexemplar!