Wo waren Sie, als David Hasselhoff die Mauer niedergesungen hat?
Popsongs erzählen Geschichten: von der ersten Liebe, dem ersten Rausch und der ersten eigenen Wohnung. Und manchmal auch die Geschichte eines ganzen Landes und seiner Bewohner, ihrer Ängste und Sehnsüchte. Maik Brüggemeyer hat zehn Songs ausgewählt, in denen sich die wichtigsten Momente der deutschen Geschichte spiegeln. Sie erzählen von der Italiensehnsucht der Fünfzigerjahre über die 99 Luftballons des Kalten Krieges bis hin zu der sommermärchenhaften Erkenntnis, dass dieser Weg wohl kein leichter sein wird. Und damit zugleich von Schuld und Rebellion, Tanz und harter Arbeit, Terror und einer friedlichen Revolution. (Klappentext: Penguin Verlag/Amazon)
Maik Brüggemeyer kenne ich, hab ich doch den Rolling Stone seit Beginn der deutschen Ausgabe abonniert, und eben dieser Brüggemeyer schreibt seit 2001 für das Magazin. Umso gespannter war ich nun, als ich die Beschreibung des vorliegenden Buches sah. „Eine deutsche Geschichte in zehn Songs“. Unvoreingenommen, was mich da erwartete, las ich das einleitende Kapitel, welches einen kurzen Abriss bildete, wie sich die Zeit in Deutschland nach dem Krieg in so vielen Liedertexten wiederspiegelte. Was uns Deutsche in den Jahrzehnten nach einem der dunkelsten Kapitel unseres Landes beschäftigte, welche Ängste, Sorgen und Nöte musikalisch verpackt den Alltag beschrieb. Angefangen von Rudi Schurikes „Caprifischer“, welches das Fernweh beschrieb, das die Deutschen nach all den Jahren der Entbehrungen in den Süden trieb. Urlaub nicht nur am Gardasee, sondern gleich weiter bis zum Mittelmeer. Sommer, Sonne, Sand und Meer. Bei einer Flasche guten Weines den Sonnenuntergang genießen. Davon träumten in den Nachkriegsjahren sehr viele Landsleute. Weiter dann durch die Sechziger Jahre, die für vieles den Wendepunkt bedeutete. Raus aus dem grauen Mief unserer Väter und Mütter und hinein in die bunte Welt des Rock’n’Roll, Pop und Beat, 68er Bewegung, Protestsongs … Politik wurde auch musikalisch verpackt, sei es im Folk durch Leute wie Franz-Josef Degenhard, oder durch gröbere Töne wie die der Ton Steine Scherben. So geht es quer durch gut 70 Jahre Deutschland, gut beschrieben durch zehn Songs, die den Zeitgeist hierzulande bestens beschrieben. Mauerfall und Wiedervereinigung, unser Fußball-Sommermärchen 2006, und immer wieder stehen Musikstücke als Ausrufezeichen für Ereignisse und Wendepunkte unseres Landes.
Dieses Buch ist nicht nur ein gut zu lesender Roman unserer Zeit, es ist gleichzeitig auch Geschichts- und Sachbuch unserer Vergangenheit. Maik Brüggemeyer versteht es sehr gut, in leicht zu lesendem Stil unsere Kultur zu beschreiben. Der letzte Satz im Einleitungskapitel beschreibt äußerst treffend: „Musik, egal wie banal oder komplex, gut oder schlecht sie ist, erzählt von der Zeit und dem Ort ihrer Entstehung – und sie erzählt von uns.“
4,5 / 5
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Maik Brüggemeyer – I’ve been looking for Frieden
Penguin Verlag, 2018
288 Seiten
Taschenbuch: 10,00 €
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