Jeffrey „Jeff“ Sciullo ist vermutlich kaum jemandem bekannt. Das liegt daran, dass der gebürtige Pittsburgher gar nicht aus der Musikwelt stammt und nur unter seinem Pseudonym Elias in Erscheinung tritt – und zwar im Ring. Als Teil der WWE tritt Elias bei der Montagsshow Raw auf und ist dafür bekannt, mit kurzen Gesangseinlagen seine Gegner zu verspotten. Doch in dem sonst so harten Catcher steckt ein weicher Kern und ein durchaus brauchbarer Musiker.
2018 veröffentlichte er seine erste EP mit dem Titel Walk with Elias. Die Abkürzung ist natürlich nur rein zufällig WWE und hat nichts mit einem übersteigerten Ego zu tun. Um die Songs zu promoten, ließ sich die WWE natürlich nicht lumpen, bildet sie nicht nur das Label als WWE Music Group, sondern unterstützt und formt sie ihre Stars in jeglicher Hinsicht. Mit einer sogenannten Mockumentary wurde die Entstehung der Songs beleuchtet. Die Zuschauer begleiten Elias bei seinen Treffen mit den Produzenten John Alicastro und Mike Lauri, die beide besser bekannt sind als CFO$ und vor allem für die brachialen und charakteristischen Eingangslieder der Wrestlingstars stehen.
14 Minuten lang kann man dem Wrestler auf seiner ersten EP lauschen. Die Songs gibt es leider nur digital, ich wäre von einer Vinylausgabe sehr angetan, muss mich davon aber wohl leider verabschieden.
„Hello, I am Elias“, die Einleitung, die Vorstellung, der perfekte Anfang für den ersten Song eines kompletten Neulings. Der Song „The Ballad of every town I’ve ever been to…“ erzählt ein bisschen seine Geschichte. Als Wrestler kommt man schließlich viel rum und erlebt auch gerne mal Niederlagen. Es ist ein sehr typischer Blues, triefend vor Heimatlosigkeit und Herzschmerz, der Herumtreiber, der den Ort sucht, an dem er sich niederlassen kann. Wenn wir ganz ehrlich sind, spricht er uns auch ein bisschen aus der Seele, wenn er singt: „But I see so many stupid people, I wanna punch them in the face.“ Dass dahinter ein Entrance und eine kleine Storyline stehen, ist nur für Fans der WWE interessant. Aber hier geht es ja um die Musik.
„Elias‘ words“ ist schon ein bisschen angriffslustiger. Natürlich bleibt ein Wrestler in seiner Rolle, wenn er unter seinem Ringnamen agiert und dann auch noch Musik macht. Das merkt man auch bei diesen Lyrics. Elias geht nicht gerade nett mit seinen Mitmenschen um und schiebt gerne alles und jeden mit rüden Worten aus seinem Weg – schließlich ist er der große Elias. Man merkt an der leicht springenden Melodie, welche Gefühle dahinterstehen und wenn man den Song zwei-, dreimal gehört hat, wird man selbst ein bisschen zu Elias und denkt sich: Geht mal alle aus dem Weg, hier komme ich.
Nach der Gitarre kommt unweigerlich das Klavier. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Der Wrestler ist weiter auf seinem Weg nach oben, die Welt ist besser, seitdem er endlich im Ring steht. Hört man nicht ganz auf den Text, kann man sich richtig schön in einen depressiven Blues fallen lassen, der ist wirklich gelungen, die Stimme passt. Sie ist tief, ruhig, melancholisch, nicht durch Instrumente oder Schnickschnack überdeckt. Ist man Wrestlingfan, belächelt man den Song ein bisschen. Entweder mag man Elias und hat seine Fehden im Kopf, jüngst gegen Jeff Hardy, der ihm seine Gitarre um die Ohren haut. Oder man mag ihn eben nicht so gerne und findet ihn etwas aufgesetzt, arrogant und überzogen, dann passt der Song wie die Faust auf’s Auge. Übrigens: Den Song unbedingt bis ganz zum Schluss anhören, da wartet noch eine Überraschung.
„Walk with me“ bildet den Abschluss. Wieder an der Gitarre, kann man mal eben vergessen, dass es sich um den Wrestler Elias handelt. Die Lyrics sind gut, die ermuntern zum Aufbruch und zum Folgen, geben ein bisschen Halt.
Auffällig ist, dass Elias stimmlich nie ausbricht. Er bleibt ruhig, besonnen, hat seinen Blues gut drauf, der immer wieder zwischen Depression und Aggression wechselt. Zur gescripteten Wrestlingwelt passt die EP absolut perfekt. Für den Musikfan sind es gute 14 Minuten Pause; einfach zurücklehnen und abschalten. Vielleicht war es nicht ganz ernst gemeint, eine Blues-EP mit Elias auf den Markt zu schmeißen, aber es war eine gute Idee. Walk with Elias kletterte auf Platz 13 der Top 100 US Alben bei iTunes, erreichte Platz 5 der US Heartseekers Alben und Platz 10 der US Top Album Sales. Ein vermutlich unerwarteter Erfolg. Eine Scheibe, die man sich als Blueser auf jeden Fall anhören sollte und die gerade für die staade Zeit perfekt ist.
4/5
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Elias – Walk with Elias
WWE Music Group, 2018
Amazon, iTunes, Spotify
Tracklist:
The Ballad of Every Town I’ve Ever Been To…“
Elias‘ Words
Nothing I Can’t Do
Walk With Me