Freitagmorgen: Mein Spezl erzählt mir völlig begeistert von dem Konzert einer Beatles Coverband, die er am Vorabend in Düsseldorf gesehen hat.
Freitag Abend: Ich stehe mit meiner Freundin an der Abendkasse der Grugahalle in Essen und besorge Karten für The Analogues. Diese Begeisterung hat mich gereizt, denn er ist der größte Beatles Experte, den ich kenne. Das musste ich mir einfach anschauen.
Auf dem Weg zur Halle sah ich bereits zwei große Lkw voller Equipment. Das war schon beeindruckend. Der Grund dafür zeigte sich auf der Bühne. The Analogues haben eine Vielzahl Instrumente und Verstärker, original aus der Zeit der Aufnahmen.
Die Grugahalle war mit etwa 2.000 Zuschauer:innen gut besucht, ein Teil war abgehängt worden, sonst fasst die Halle definitiv mehr Publikum. Dass das Konzert coronabedingt mehrfach verschoben worden war, schien niemanden vom Besuch abgehalten zu haben, im Gegenteil: Die Anwesenden freut sich sichtlich auf den baldigen Start des Konzerts. Um etwa 20:15 Uhr kamen die Jungs aus Holland auf die Bühne und es ging logischerweise direkt ikonisch los mit „Come together“. Ich war sofort total begeistert von der Qualität des Sounds. Sehr basslastig im Abbey Road-Teil, aber das hebt Paul McCartneys Rolle zu der Zeit hervor. Der Bass ist zudem von Bart van Poppel genial gespielt. Felix Maginn, der die John Lennon-Stimme bei den meisten Songs übernimmt, macht seinen Job gut. Zu Beginn dachte ich jedoch, Liam Gallagher wäre auch da, aufgrund der Frisur.

Mein Lieblingssong überhaupt „Something“ war einfach nur genial. Es hat alles gestimmt, der Gitarren Tone, die Drums einfach alles. Wenn man zum zweiten Song des Abends schon Tränen in den Augen hat, kann das Konzert nicht schlecht sein!
„Maxwells Silver Hammer“ zeigt, wie viel Liebe zum Detail die Analogues pflegen. Der Perkussionist Leon Klaasse, der über den Abend hinweg der Band einen noch volleren Sound liefert, fuhr auf einem Rollwagen den legendären Amboss auf die Bühne, den im Original der Roadmanager Mal Evans traktiert hat.
Oh Boy! „Oh Darling“ ist einer meiner Favoriten auf Abbey Road durch die Riesenleistung, die Paul abliefert, von daher war ich sehr gespannt. Hierfür wurde ein lockiger Gastsänger namens Merijn van Haren auf die Bühne geholt, der den Laden dermaßen abgerissen hat! Brutal, was er für eine Stimme hat. Die Halle und ich tobten.
„Octopus‘s Garden“ ist von vielen gehasst oder wird zumindest belächelt. Ich mag ihn gern und wie bei den bisherigen Songs auch ist alles eins zu eins nachgespielt. Das recht komplexe Gitarrensolo wurde perfekt abgeliefert – auch die Drums klangen groovy.
„I Want You (She’s So Heavy)“ ist wieder einer meiner Favoriten des Abends. Hierfür wurde Jan van der Meij auf die Bühne gerufen, der die Stimmlage Lennons im Original fast perfekt getroffen hat. Wahnsinnig kraftvolle Performance eines der stärksten Songs des Albums.
Auf dem Album endet der Song völlig abrupt und damit endet Seite 1, von daher war ich neugierig, wie sie es wohl machen werden. Sie haben es perfekt geschafft, dass alles einfach aufhört. Genau wie auf Platte.
Zu „Here Comes The Sun“ muss man nicht viel sagen. Ein schöner und stimmungsvoller George Harrison-Song, den sie auch so rübergebracht haben
Das psychedelische „Because“ mit den hohen Harmonien klang ebenfalls so stark wie auf der LP.
„You Never Give Me Your Money“ hat mir besonders gut gefallen, weil die Übergänge und abermals die Harmonien genau getroffen wurden. Auch die Vielseitigkeit von McCartneys Stimme wird hier deutlich.
„Sun King“ wurde von Fleetwood Macs „Albatross“ inspiriert. Ein sehr smoother Track, der den Liverpooler Ausdruck chicka ferdy enthält, der so viel heißt wie: verpiss dich. Der Text klingt jedoch Spanisch zum Ende hin, wodurch es versteckt ist.
Die folgenden Tracks sind auf dem Originalalbum wie ein Medley, also ohne Übergänge oder Pausen, dargeboten. Dies ist das besonders Schwierige daran, die Abbey Road als Album komplett nachzuspielen, und ich hab mich gefragt, wie das eigentlich funktionieren soll.
Die Analogues haben es perfekt mit ihren Roadies konzipiert und koordiniert. Die Instrumentenwechsel waren absolut fließend, sodass sie diesen Teil hervorragend gemeistert haben.
„Mean Mr. Mustard“ klang stimmlich perfekt. Auch die Rasseln im Hintergrund waren dabei.
„Polythene Pam“ ist ein schneller und kraftvoller Song, in dem die Akustikgitarre im Vordergrund steht. Das elektrische Solo am Ende war abermals fehlerfrei. The Analogues haben mich dazu gebracht, dass ich diese Nummer jetzt noch stärker finde als vorher.

„She Came Through The Bathroom Window“ war für Paul McCartney bei den Get Back Sessions besonders wichtig. Ein Song, der im Original wieder sehr voll klingt. Hier auch. Zudem wurden wie auch auf dem Album zwei Hölzer aufeinandergeschlagen. Wieder so ein kleines Detail.
„Golden Slumbers“ ist einer meiner Lieblinge, da er so viel Gefühl und Dynamik hat. Kein Problem für die Analogues. Genauso wie den nahtlosen Übergang zu „Carry That Weight“ machen, wo alle zusammen singen! Da kann man nur grinsen. Auch der Übergang zum Abschluss – „The End“. Nahtlos wie auf der Platte. Der Beat wird genau getroffen und die Gitarrenlayers kommen stark rüber. Die Jungs verstehen einfach sich und ihr Handwerk.
„Her Majesty“: Der hidden track des Albums. Kommt auch hier nach dem großen Applaus nach „The End“ und einer kurzen Pause. Das Licht ist nur auf Diederik Normen, der hier den Part von McCartney übernimmt.
Ein schöner Abschluss für den ersten Teil des Konzerts. Es folgten 20 min Umbaupause.
Nach der Pause starteten Sie mit dem letzten Song, den die Beatles je aufgenommen haben: „I, Me, Mine“ vom Album Let It Be. Ein Song meines Lieblingsbeatles George und somit für mich direkt wieder ein toller Start in den zweiten Teil der Show.
Dann wurden der Reihe nach eine Selektion von Songs der Alben gespielt, die die Beatles selbst nie live gespielt haben.
Angefangen wurde mit „Taxman“ von Revolver aus dem Jahr 1966. Wieder eine Harrison Nummer. Leider für mich die einzige Nummer, zu der man überhaupt etwas Negatives schreiben könnte. Der Track wurde in der Art vorgetragen als würde Lennon ihn singen, nicht Harrison. Das wars aber schon wieder mit der negativen Kritik.
Zusätzlich kamen noch „Eleanor Rigby“ und „Got To Get You Into My Life“ vom 66er Album. Die Streicher wie im Original waren natürlich dabei und in Topform. Auch die Stimmen haben toll gepasst. Die Nummer hat durch die vier Sänger einen A-Cappella-Charakter, der mir gut gefallen hat.
Danach folgten chronologisch die Doppel A-Seiten Singles im Übergang zu Sgt. Pepper aus dem Jahr 1967: „Penny Lane“ von Paul und „Strawberry Fields Forever“ von John. Beide Songs genial performt und gehören auch zu meinen Favoriten des Abends. Das Solo auf der Piccolo-Trompete bei „Penny Lane“ hat mich wortwörtlich weggeblasen. Jede Note war perfekt gespielt. Dafür gab es auch reichlich Applaus meinerseits. Bei den „Strawberry Fields“ wurde man auf den Trip mitgenommen, wie im Original. Sie haben den voluminösen Sound und die Stimmung genau hingekriegt. Top!
Dann gab’s „Good Morning, Good Morning“ und das anschließende „Reprise“ von Seite 2 des Sgt. Pepper-Albums. Beides sehr gelungen. Der Gründer der Analogues und ehemaliger Tommy Hilfiger-Boss Fred Gehring schüttelt die ganzen Ringo Starr Fills locker aus dem Ärmel. Der Spaß, der von den Songs ausgeht, wird auf die Bühne projiziert und geht direkt auf das Publikum über.
Wir sind angekommen im Jahr 68 und dem Weißen Album. Und es ging wieder mit einem George Song los. Die Jungs haben Geschmack. Der Gitarrenklassiker schlechthin „While My Guitar Gently Weeps“. Der Eric Clapton-Soloteil wurde von mir ungeduldig erwartet und ich wurde nicht enttäuscht. Tone und Gefühl waren wie im Original richtig gut! Der Leadgitarrist Jac Bico hat’s drauf. Es folgte „Ob La Di Ob La Da“. Hätte mir eher „Dear Prudence“ gewünscht, aber das Vok war begeistert und schunkelte mit. „Life Goes On“, weiter im Text. Denn jetzt ging’s ab. Der Kollege von „Oh Darling“ kam wieder zurück, die Bühne wurde rot erleuchtet und dann ging’s mit einem „Helter Skelter“ brutalst ab. Genau wie auf dem Album sehr hart gespielt mit brutalen Drums und kräftigem Bass. Die schwierigen Noten und auch den schreienden Ausklang hat er perfekt getroffen. Chapeau! Das Highlight des Abends. Auch die „Blisters On My Fingers“ wurden vom Bassisten van Poppel gebrüllt am Ende. Ein kleines Detail, das mich sehr gefreut hat.
Dadurch, dass Abbey Road ja schon zum Beginn dran war erfolgte der Übergang zu Let It Be. Angefangen mit dem Lennon Übersong „Across The Universe“, zur nächsten Lennon Nummer „One After 909“. Einer meiner Favoriten des Albums. „Get Back“ kam als nächstes und war mit Orgel und drei Gitarren sehr üppig instrumentalisiert. Toller Sound.
Auf einmal kam das ganze Orchester auf die Bühne und es war klar, was das sein muss.
„A Day In The Life“ gehörte zu meinem Favoriten des Abends. Einfach genial, so etwas live zu erleben mit diesem epischen Klang in den Übergängen.
Das Licht ging aus, der Spot ging an und beleuchtete den am Klavier sitzenden Normen. Ein gefühlvolles, schön gespieltes „Let It Be“ gab den Abschluss.
Das war’s, oder? Falsch.
Als Zugabe gab es noch „The Ballad Of Yoko And John“, gefolgt von dem mich überraschenden eher unbekannten „Hey Bulldog“ vom Soundtrack-Album Yellow Submarine, inklusive der Blödelei am Ende zwischen Paul und John.
Den nun wirklichen Schlusspunkt gab es mit der schnellen Version von „Revolution 1“. Die Gitarre hatte genau den richtigen, verzerrten, alten Klang. Die Halle tobte und der Gründer der Band und Schlagzeuger verprügelte sein Ludwig Drumkit nochmal auf’s Schärfste. Das war’s und gut war’s!
Bei den besten Songs des Abends, da sind mein Spezl, meine Freundin und ich uns einig: „Something“, „I Want You (She’s So Heavy)“, „Strawberry Fields Forever“, „Helter Skelter“ und „A Day In The Life“.
Die Liebe zum Detail, das alte Equipment, die Qualität der Musiker, die auch gerne mal zeigen, dass sie zum Teil Multiinstrumentalisten sind, und vor allem die Spielfreude und den Spaß, der der Band auf der Bühne wirklich anzusehen war, machte für mich dieses Konzert zu etwas ganz Besonderem. Der Fokus wird hier klar auf den Sound gelegt. Alles, was man auf dem Album hören kann, wird versucht so gut es geht zu reproduzieren. Die Jungs waren nicht verkleidet, sondern einfach stilvoll im Anzug. So etwas braucht’s auch nicht, wenn man so spielt!
Eine klare Empfehlung – mehr Beatles geht heutzutage nicht mehr live.



















Sehr schöner Artikel!
Nächstes Mal bin ich auch dabei 🙂