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Viva la lucha libre profesional puertorriqueno!
Puerto Rico, Land des Wrestlings, Wiege des Hardcorestils, kämpfend gegen Bürokratie und Politik, gegen so viele Hindernisse, die nicht sein müssten, gegen Korruption, um Lizenzen und für eine Wiedergeburt dessen, was einst so groß, so schillernd, so weltweit bekannt und prägend war – und kläglich untergegangen ist in einem Kampf gegen sich selbst, in Neid und Missgunst, in dem Streben nach Alleinherrschaft. Die Geschichte des Wrestlings in Puerto Rico ist golden wie der Sonnenaufgang und so schwarz wie die Nacht, sie ist etwas zwischen Großartigkeit, prägend für eine Generation und sich ergebend in die Traurigkeit und Dunkelheit eines tiefen Falls. Doch ein bisschen ist es wie bei Asterix, da gibt es ein gallisches Dorf, da gibt es ein Volk, das aufgestanden ist, gekämpft hat und sich immer noch wehrt, das sich mutig all den Widersachern und Widrigkeiten entgegenstellt mit einem Ziel: Puerto Rico wieder zu der Wrestlingnation zu machen, die es einst war, wieder auferstehen zu lassen, was einst so sinnlos blutend zerstört wurde. Man kann viele Namen nennen, die alle dafür kämpfen, Star Roger, Mike Mendoza, Pedro Portillo, Orlando Colon und so viele mehr. Als sich Latin American Wrestling Entertainment (LAWE) gründete, hoffte man auf eine wöchentliche TV Show und darauf, eine der führenden Promotionen zu werden – dafür arbeitet man hart. Natürlich auch sehr geschickt, denn sie verpflichteten Wrestlinggrößen aus Puerto Rico, Mexiko und dem lateinamerikanischen Raum, die das Volk ansprechen und die Aufmerksamkeit der Welt auf sich ziehen. Ein bisschen durchlebte man im übertragenen Sinn von Oktober 2021 bis Juli 2022 einen Schnelldurchlauf der puertoricanischen Wrestlinggeschichte, hatte seine wundervollen Widersacher, den unsympathisch auftretenden Mike Mendoza, der natürlich alles kritisieren und sich gegen alles stellen würde, Wrestler in dritter Generation, klar hat der was zu sagen. Nette Storyline, die zum ersten Champion führte und schließlich im LAWE Summerfest mit dem Showdown des Jahres zwischen Mendoza und Colon gipfelte. Aber dazu später. Denn auf den Kampf des Jahres musste man lange warten.
LAWE hat ein großartiges Sommerfest geplant, auf dem Wrestling gefeiert wurde. Schulen wie Espiritu Pro Wrestling Dojo durften sich präsentieren, Merchandiser wie Ricanstructionwear oder LuchaTeesPR stellten ihre Waren aus, man konnte seinen eigenen Entrance kreieren, es gab eine kleine Ausstellung des Wrestlingmuseums, die Stars waren zum Anfassen – wörtlich, denn die hatten sich unters Volk gemischt, grinsten in Kameras, gaben Interviews, unterhielten sich mit Fans und schrieben fleißig Autogramme. Keine knappen Timeslots und lange Warteschlangen, es war ein Fest unter Freunden und man feierte. Die Örtlichkeit war großartig gewählt: das Anfiteatro Tito Puente de San Juan ist ein geschichtsträchtiger und wirklich gigantischer Ort, um das professionelle Wrestling zu feiern.
Es ging los mit kleinen Kämpfen, die scheinbar egal waren, aber auch diese wurden vom Publikum honoriert. Da ich leider trotz allen Versuchen aus Zeitgründen nicht in San Juan sein konnte, fehlen ein genauer Zeitplan, die Eindrücke vor Ort und unsere Galerie. Der zeitliche Ablauf mag daher falsch sein, ist aber nicht sonderlich wichtig. Viel bedeutender ist, dass sie alle dabei waren und es natürlich um den Heavyweight Champion Titel ging, ein neuer Tag Team Titel eingeführt wurde und wir, nein, die Welt den Kampf des Jahres gesehen hat. Wen es interessiert: Auf LAWEonDemand können das Summerfest und alle Kämpfe permanent angesehen werden.
Den wohl kürzesten Kampf nicht nur des Summerfests boten Valak und Boricua Guerrero. Valak machte erst vor wenigen Wochen auf sich aufmerksam und Dennis Rivera deutlich, dass er den Namen wohl besser nicht mehr vergessen sollte. Dass er dabei ist, ist wirklich cool. Er lässt sich feiern und bekommt auch Applaus, nimmt den Mund vielleicht ein bisschen zu voll und wartet auf seinen Gegner – doch zuerst kommt zur mentalen Unterstützung Amandito Salgado, eine Wrestlinglegende. Übrigens sollte man nicht denken, dass Valak ein noch recht unerfahrener Jungspund ist, Lebenserfahrung hat er auf jeden Fall gesammelt bei der Army. Gegen ihn tritt an Boricua Guerrero, der sich noch kurz feiern lässt, als das Match bereits losgeht. Valak stürzt sich auf ihn, trommelt mit den Fäusten auf ihn ein, doch Guerrero ist erfahrener und stärker, es ist vorbei, bevor es überhaupt angefangen hat und man so richtig verstanden hat, was eigentlich los ist. Hat der Kampf überhaupt eine Minute gedauert? Ja, schade, aber erwartbar, soll ja auch erstmal nur die Stimmung anheizen und Valak wird noch erfolgreicher werden bei LAWE – hoffe ich.
Auftritt 5to Elemento, den kennt man schon, der ist voller Hoffnung, es wird langsam dunkel, das wird ein leichter Kampf. Doch sein Gegner ist Bengie Lopez. Kennen wir den? Ja klar! Denn der hatte mal einen unrühmlichen Auftritt bei Adrenalina, als man ihn einfach nicht rein ließ. Nun also ist er da, Bengie Lopez feiert sein Debüt auf dem LAWE Summerfest. Man denkt, das geht schnell, unspektakulär, 5to Elemento wird natürlich gewinnen, aber immerhin ist Lopez damit offiziell eingeführt und aufgenommen bei LAWE. Er wird mit Sprechchören empfangen, ja, er hat seine Fans und seinen Zuspruch, man wartet viel von ihm. Noch bevor die Glocke ertönt, stürzt sich 5to Elemento auf Lopez, der ihm den Rücken zukehrt. Feiger Angriff, aber nicht ohne Wirkung. Doch so schnell gibt der Debütant nicht auf, ist sofort wieder auf den Beinen und schlägt zurück – mit Kraft, mit Wut, mit Technik. Was sehen wir da? Die Bengie-Rufe werden lauter, Quinto Elemento flüchtet mal eben aus dem Ring, kann seinem Gegner aber nicht entkommen. Nein, das hier ist eindeutig Lopez‚ Kampf, der endlich zeigen will, wofür er die letzten Jahre trainiert und gearbeitet hat. Wo ist denn der brave junge Mann mit der Brille, der gerne auch Philosophieprofessor sein könnte? Da steht ein harter Kämpfer im Ring, der seinen Mann steht und auch mit dem Publikum super interagiert. Was sehen wir da und warum mussten wir denn so lange auf diesen Mann warten? Es macht großen Spaß, diesen Kampf zu sehen, gerne könnte der auch noch länger dauern, aber wir haben keine Zeit und einen vollen Zeitplan. Nach dem Pin wird Bengie Lopez nicht nur vom Publikum gefeiert, auch Dante Caballero kommt mit Gefolge auf die Bühne und jubelt, gratuliert, eine tolle Ehrerbietung für den Debütanten. Wir werden noch jede Menge von ihm sehen!
Was bei der Full Show Aufzeichnung nicht gezeigt wird: Sensacional Wrestling School vs. Espiritu Pro Wrestling Dojo – also ein bisschen Star Roger vs. Mike Mendoza. Sechs Kämpfer prügeln aufeinander ein, Adam Riggs mit neuer Ringgear, nun gelb, scheint sowieso generell wütend zu sein, an seiner Seite Harry Willam und Papi Chulo. Auf der anderen Seite Dante Caballero, Athan und Yomar Arides. Zu sagen haben sich die beiden Teams auch erstmal was, dann sprechen die Fäuste und schließlich können alle zeigen, was sie gelernt haben und sich mal ins Gespräch bringen. Es passiert ein bisschen viel auf einmal, da kann man gar nicht alles mit der Kamera einfangen, aber schließlich bleiben die meisten brav in ihren Ecken und es heißt Mann gegen Mann. Wer krass an sich gearbeitet hat: Harry William, von dem werden wir sicherlich noch sehr oft hören, in ein paar Jahren sehen wir ihn hoffentlich als Champion. In ihm könnte ein Erbe El Cuervos stecken, manches erinnert an ihn, aber da fehlt natürlich noch etwas Erfahrung. Aber jetzt geht es erstmal darum, auf dem Summerfest für Stimmung zu sorgen und das tun sie alle. Caballero kennt man ja schon länger, weiß um seine Kraft und sein Können. Er hält sich eine Weile auch ziemlich zurück, was ganz gut ist. Dafür frühstückt William der Reihe nach seine Gegner ab. Wechsel, Riggs kommt in den Ring. Seltsamerweise sieht man von den EPWD Schülern ein bisschen mehr. Auch wenn die Sympathien ehr auf der Sensacional Seite liegen. Papi Chulo vs. Dante Caballero, oh, da tut sich der erste aber schwer und muss von William gerettet werden. Der muss einen Sprung von Athan abwehren. Dann beweist er Kraft, hievt Athan und Arides gleichzeitig hoch. Nun ist nur noch Caballero übrig, feste Schläge auf die Brust, wow! Plötzlich stehen wieder alle im Ring, gegen aufeinander los. Es passiert viel, es passiert schnell, das Match ist richtig gut! Am Ende gewinnt die Fraktion der Sensacional Wrestling School. Verdient hätten es beide Seiten gehabt. Toll gemacht!
Die Frauen kommen. Ich mag Frauenwrestling nur sehr bedingt, das ist mir zu wenig Wrestling und zu viel: Wir müssen hier einen auf sexy und Pornostar machen. Es gibt nur sehr wenige, die das nicht tun. Black Rose macht eine Show aus ihrem Auftritt, die in jedem Stripclub stattfinden könnte, kann man streichen. Sorry, Mädels, aber ihr seid erheblich mehr als eine Only Fans Wichsvorlage, hört endlich mal auf, euch so billig zu verkaufen und euch selbst nur auf Sex zu reduzieren. Nehmt euch mal ein Beispiel an einer Yaide oder einer Nathalya Perez, die beide gut aussehen, die beide ihre Show abziehen, aber die im Ring wirklich was leisten und ihre Auftritte ohne billige Sexmasche absolvieren – und so viel besser und mitreißender sind! Über vier Minuten lang geht es nur um die Entrances. Dann folgen langweilige Aktionen im Ring, bis es endlich mal ein bisschen spannender wird. Und plötzlich kann man auch zeigen, dass man wrestlen kann. Das gibt es schöne Aktionen, da gibt es Action, feine Moves. Nancy schreit irgendwann den Referee an, der zurückweicht. Besser ist das. Das Publikum geht mit, feuert an, es bekommt nun was geboten. Black Rose muss einiges einstecken, schafft es aber immer wieder, den Pin zu verhindern. Sie ist gut, keine Frage, sie bräuchte nur das billige Getue am Anfang nicht. Powerbomb von ihr gegen Nancy, beide bleiben am Boden, klatschen mit Mühe ab. Evie de la Rosa und Roxxy gehen sofort aggressiv aufeinander los. Jede will hier gewinnen, mit aller Macht. De la Rosa versucht einen Pin, der Referee verpennt seinen Einsatz, so dass er viel zu spät zu zählen beginnt und Roxxy sich befreien kann. Mittlerweile regnet es, das stört kaum jemanden, viel zu spannend ist es nun geworden und auch im Ring trotzt man den Wassermassen. Am Ende kann Black Rose Nancy pinnen, doch die Freude ist nur von kurzer Dauer, weil danach Hilfe von außen kommt und die Gewinnerinnen nach Strich und Faden verprügelt werden. Frauenwrestling? Geht doch!
Auf LAWEonDemand gibt es nun ein kleines Zwischenspiel mit Mendoza und Bruno. Ersterer hat sich ja in den vergangenen Monaten eher Feinde als Freunde gemacht und da steht auch noch eine Storyline etwas offen. Geht glimpflich aus, nun ja, vor dem Combat Pit kann Mendoza schlecht noch eine auf’s Maul kriegen, das wäre ungünstig. Den Championstitel hat er auch nicht bekommen, sondern musste sich Pedro Portillo III und Santana gegenüber geschlagen geben. Zwischen diesen beiden sollte es eigentlich beim Summerfest den Battle um den Titel geben, doch Santana verletzte sich kurz vorher und es war klar, er würde nicht kämpfen können. Dafür versprach er eine Ankündigung für den Abend. Portillo war bereit, wie man es nur sein kann und heiß auf den Titel, das machte er oftmals und mit viel Wut deutlich. Am Summerfest humpelt Santana zum Ring, lässt sich feiern und ich würde ihm gerne diesen Titel einfach lassen, aber … das geht halt nicht. Er fällt über Wochen aus, Monate, da muss er den Titel freigeben, fraglich ist nur, ob Portillo den wirklich bekommt und gegen wen er dafür antreten muss.
Santana fällt es sichtlich schwer zu reden, er dankt allen, in der Ecke wird ein Bild von ihm als ersten Champion hochgehalten. Ein sympathischer Champ, der Respekt für seinen ehemaligen Gegner hat und grinst, als der Pedro-Portillo-Chant einsetzt. Ein Triple-Way-Match wird angekündigt und Portillo tritt auf. Das Anfiteatro feiert, singt, schwenkt Fahnen, so wird in Deutschland gesunden, wenn der FC Bayern die Meisterschaft holt – mit dem gleichen Song. Hinter ihm natürlich Dennis Rivera, der dem Ganzen etwas seltsam Offizielles, Abgesprochenes verleiht. Manchmal kommt er einem vor wie der Paul Heyman der LAWE. Santana und Portillo geben sich einem harten Wortgefecht hin – letzterer erhebt Anspruch an den Titel, der ihm quasi zusteht. Unvermittelt stürmt Samuray del Sol in den Ring. Vielen ist er eher bekannt als Kalisto. Sofort geht er auf Portillo los, prügelt auf ihn ein. Doch so leicht kann man einen Portillo nicht besiegen. Der hat Samuray del Sol schnell am Boden, Rivera tritt dann auch noch mal zu, es ist vorbei, bevor es angefangen hat, oder? Nein, sagt Santana, denn es sollen drei Männer um den Titel kämpfen. Ja wer denn noch? Mendoza kann es nicht sein, den wird man nicht in den Titelkampf schicken, wenn das nächste Match der Combat Pit ist. Es wird dunkel. Es erscheint ein Name. Die Menge jubelt. Ja, man hat seinen Auftritt erwartet, nachdem er knapp eine Woche zuvor seinen Ausstieg bei der WWC bekanntgegeben hatte und sehr geheimnisvoll tat, wohin sein Weg nun führen würde. Den meisten war klar, dass es zu LAWE gehen würde, aber als es auf dem Summerfest dunkel wird, sein Name erscheint und er dann wirklich auftritt, ist der Jubel der Anwesenden groß: Carlos Calderon ist LAWE! Klar, dass der auch gleich sein Titelmatch bekommt – und vielleicht sogar den Titel? Lasst uns mal kurz nachdenken, ob Portillo doch schon wieder verlieren soll? Etwas anderes wird noch deutlich: Die LAWE besteht aus Namen, da sind alte Hasen dabei, die seit vielen Jahren im Ring stehen und die man kennt. LAWE ist eine Mischung aus Generationen, die alleine durch diese Trennung im Rooster die Verbindung und gleichzeitig auch den Unterschied zwischen einer alten und einer neuen Generation verdeutlicht. Eigentlich braucht man keinen Calderon, aber man kann ja nie genug Stars haben. Andererseits wird es irgendwann auch sehr schwierig, diese alle unter ein Dach zu bringen und jedem gerecht zu werden. Ein Triple-Way-Match zwischen Calderon, Portillo und Samuray del Sol ist ein absoluter Spitzenkampf und eigentlich das Highlight des Abends. Nun muss man sich zwei Dinge fragen: Was hat LAWE mit Mendoza geplant? Denn egal, wie der noch ausstehende Combat Pit ausgeht, Mendoza hat den Sonderstatus bekommen, ein besonderes Match, aber wo führt das hin? Er ist kein Champion und wird diesen Titel so schnell auch nicht bekommen, weil das einfach nicht passt – und er diesen vielleicht nicht mal will. Wissend, wie der Combat Pit endet, würde ich eigentlich sagen, dass man Mendoza rausschreibt und er sich auf anderes konzentriert, auf Espiritu, seine Schüler, seine eigenen Events und vielleicht will er doch noch mal zu den ganz großen Ligen auf’s Festland. Aber kaum ist das Summerfest vorbei, schon wird Humacao angekündigt, eigentlich eine Backlash-Veranstaltung, die aber Mendoza gegen Portillo ankündigt. Was also hat man vor?
Kleiner Exkurs hierzu: Aus verschiedenen Gründen konnte Humacao nicht stattfinden. Stattdessen suchte man Ersatz und kündigte für einige Wochen danach Guaynabo an. Die Werbetrommel gerührt, die Tickets angeboten, nach vielleicht einer Woche muss wieder verschoben werden. Nicht der Tag, aber der Veranstaltungsort, nun Hatilla. Das tritt eine Welle der Entrüstung los und bringt El Cuervo mal so richtig zum Ausrasten – und das völlig zurecht. Der wirft den Fans vor, alles am besten kostenlos und im eigenen Wohnzimmer haben zu wollen und sich gar nicht klar zu machen, was das überhaupt alles für die Wrestler bedeutet, wie die leben, wie lange die fahren, wie lang ihre Tage sind und dass es hart verdientes Brot ist. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, aber er spricht da doch einigen Kollegen aus der Seele.
Zurück zum Summerfest. Calderon genießt das Bad in der Menge und ist sowas von bereit auf den Kampf, der Rivera sichtbar ins Chaos stürzt. Was geht denn jetzt ab? Müsste er das nicht eigentlich am besten wissen? Anscheinend nicht, denn er beschwert sich reichlich. Portillo will gehen, bekommt aber noch eine Kampfansage von Calderon.
Schnitt. Wir kommen später darauf zurück. Denn die Aufzeichnung auf LAWEonDemand endet hier. Man muss sich dann das Summerfest in seiner Gesamtheit ansehen, und diese Aufzeichnung beginnt mit etwas ganz anderem. Es betreten den Ring: El Cuervo und Riviero Rivas, zwei wichtige Bestandteile der Fraktion CPR. El Cuervo hatte wenige Tage zuvor sein Facepaint abgewischt und angekündigt, ein neues Gimmick zu bringen. Dass es derart geil werden würde, hat er natürlich nicht gesagt. Ganz kurz: Cuervo ist Spanisch für Rabe. Der Wrestler hat fast zwei Jahrzehnte Wrestlingerfahrung, die man ihm nicht ansieht. Cuervo hat viel in seiner Karriere gemacht und genau dieser Mann ist derjenige, den viele Nicht-Wrestlingfans gerade in Deutschland kennen. 2018 ging sein Death Match gegen Angel o Demonio durch die Presse – also die ganz normale Presse, die nämlich mal wieder postulieren konnte, wie blöd, gefährlich und was auch immer Wrestling ist. Was war passiert? Die beiden hatten sich schon ordentlich bekriegt und waren ziemlich fertig, kein Wunder, aber zu Ende war das Match eigentlich noch nicht. Während Cuervo seinen nächsten Angriff vorbereitet und etwas unter dem Ring hervorziehen will, wirft sein Gegner einen Betonklotz auf ihn, trifft ihn am Kopf. Cuervo geht sofort zu Boden, laut Medienberichten schwebt er in Lebensgefahr. Ich hab nie das ganze Match gesehen, nur diese Szene – Leute, das ist kein Wrestling, das ist kein tolerierbarer Angriff, aber Unfälle passieren immer wieder. Ob es nun Absicht war oder wirklich ein Unfall, sei dahingestellt. Angel o Demonio wird suspendiert, Cuervo überlebt – Gott sei Dank – und steigt wieder in den Ring. Angel o Demonio ist vergangenes Jahr an COVID-19 verstorben, er bleibt vielen nur durch dieses Match in Erinnerung. Dass El Cuervo aber wieder im Ring steht und dann auch noch bei LAWE ist, ist ziemlich großartig. Vor kurzem zeigte er sich sehr dankbar auf Instagram und gab an, dass er hoffe, der jungen Generation ein Vorbild sein und ihr viel mitgeben zu können. Bleibt zu hoffen, dass es nicht seine Sturheit ist, aber sein Überlebenswille. Warum ist das jetzt so wichtig? Naja, weil El Cuervo eben stur ist, LAWE diese Szene verwendet hat und der Rabe zum Summerfest mit Gips an der rechten Hand kommt. Zwei Finger oder so sind gebrochen, ja und? Zwar hat er die Freigabe bekommen, in den Ring zu steigen, aber wenn die Ärzte es ihm verboten hätten, wäre er trotzdem aufgetaucht und hätte dieses verdammte Match bestritten, davon hätte ihn niemand abhalten können. Neues Gimmick: Eine große Rabenschädelmaske auf dem Kopf und vom Handgelenk baumelnd (und das Ding leuchtet!). Ist da noch was? Ja klar, Riviero Rivas, vergessen wir den mal nicht, auch kein unbeschriebenes Blatt. Die beiden hatten sich vor einigen Monaten noch so richtig auf’s Maul gehauen, nun sind sie ein Team, kämpfen um den ersten Tag Team Titel. Gegen Star Roger und Samuel Olmo. Roger ist ein ziemlicher Star, nicht nur dem Ringnamen nach. Er hat seine Wrestlingschule, trainierte unter anderem Vanilla Vargas, Mark Davidson und O.T. Fernandez. Auch einer dieser älteren, erfahreneren Typen bei LAWE. Samuel Olmo ist ein Seil- und Sprungakrobat, der mittlerweile wöchentlich Tutorials auf Instagram veröffentlicht und wohl eine ziemliche Karriere vor sich hat, wenn er das denn überhaupt möchte. Die beiden hatten sich mal laut Story recht mies verstanden, dann aber wollte keiner den anderen pinnen und ach, warum verträgt man sich dann nicht spontan und verhaut die anderen bösen Jungs? Gute Sache. Zu guter Letzt Auftritt La Anexion, also in diesem Fall Angel Fashion und Mark Davidson. Da braucht man nicht mehr viel sagen. Die Masken sind aufgesetzt, Fashion versprüht wieder seine alles einschüchternde Aggro-Art, Davidson trainiert sich zur Form seines Lebens. Die beiden sind heiß auf den Titel, bei Fashion bin ich mir mittlerweile nicht mehr sicher, ob er nicht der LAWE oder gleich dem Wrestling den Rücken kehrt. Es gibt immer wieder Andeutungen und die stimmen einen reichlich traurig. Es geht los. Fashion und Star Roger im Ring, sie diskutieren, ein bisschen scheint es darum zu gehen: Ey, warum tun wir uns eigentlich nicht zusammen und hauen CPR auf’s Maul? Genug geredet, findet Davidson, klatscht ab, sein Teamkollege findet das eher nicht so geil, aber was will er tun? Naja, es könnte ja einen Turn geben, aber nicht an einem Abend, an dem nicht der Dritte im Bunde, Mendoza, in den Ring stürmen kann. Also gut, Davidson und Roger, jetzt geht es aber wirklich los. Irgendwie wird schnell der erste Pin versucht und ohne ersichtlichen Grund angezählt, denn Davidsons Schulter befindet sich sehr weit über der Matte. Das sieht dann schon anders aus, als er seinen Gegner pinnen will, der sich aber losreißen kann. Wäre auch ein bisschen zu schnell. Es gibt Applaus, CPR schauen nur zu, eigentlich eine ganz geile Taktik: Lass die anderen sich mal auspowern, wir kommen dann, wenn ihr fertig seid. Beide Kontrahenten fliegen aus dem Ring durch verschiedene Aktionen, ein paar kräftige Schläge auf die Brust, das Publikum feiert es. Im Ring das gleiche Spiel, irgendwann sieht es aus wie zwei hysterische Kinder, die einfach nur blind um sich hauen, aber das ist der Startschuss für die anderen vier Wartenden, die in den Ring stürmen und nun ebenfalls aufeinander einschlagen. Es wird wild und etwas unübersichtlich, aber endlich gibt es reichlich Action. Vor dem CPR Fanblock, der nicht zu übersehen ist, kloppen sich Fashion und Rivas, entweder geht danach eine Aktion gewaltig schief oder irgendjemand verpasst seinen Einsatz, jedenfalls läuft Angel einfach mal gegen den Ringpfosten. Olmo und Cuervo sind ebenfalls außerhalb des Rings und schenken sich recht wenig. Dann ist Rivas alleine im Ring und Olmo stürmt auf ihn zu. Wie kommt das denn jetzt? Es geht hin und her, man kann seine Augen gar nicht überall haben, richtig gut, so macht es Spaß. Prügelt euch mal bitte noch alle ein bisschen weiter, das macht das Match nämlich auch viel spannender. Anfangs stand ja Dennis Rivera noch irgendwo, von dem sieht man nun eher weniger, das ist nicht immer das beste Zeichen. Als Olmo dann allerdings seinen Gegner in die Ringseile schickt, ist Dennis wieder da und feuert ordentlich an. Fashion steht am Rand wie ein Vampir, wartend auf seinen Einsatz, seine Chancen abcheckend und irgendwie liegt da auch El Cuervo rum, aber keiner weiß, wieso, bis er in den Ring stürmt und sich auf Olmo stürzt, was wiederum Fashion dazu bringt, brüllend in den Ring zu springen und einen seiner berüchtigten Spears anzubringen. Wer ist eigentlich gerade offiziell eingewechselt? Das weiß keiner, geht es darum überhaupt? Egal, wir erleben hier ein ziemlich gutes Match. Nächster Pinversuch, aber Roger wirft sich dazwischen. Rivas muss nun einiges einstecken und weil er gerade da ist, Fashion auch. Von einer Ringecke in die andere treibt es Roger, dann knockt er beide Kontrahenten aus. Na? Wer will noch mal? Davidson, aber der fliegt schnell raus, dann hat Cuervo wieder seinen Auftritt, Olmo und Roger sind im Ring, ersterer macht das, was er am besten kann: Seiltanz und dann ab in die Luft. Es gibt ein wahnsinnig tolles Foto davon, wie er in der Luft schwebt. Dann macht Roger es ihm nach, auch wenn Referee Many ihn davon abhalten will. Das Publikum ist begeistert. Ein Match nach seinem Geschmack. Nun kann man ein Match nur im Ring beenden, also schnappt sich Roger Davidson und zieht ihn in den Ring, muss diesen aber quasi sofort wieder verlassen. White Shadow vs. Rivas. Das ist mal eine interessante Paarung, Matches zwischen den beiden alleine machen viel Spaß. Fashion mischt mit, Rivera will von der Ringecke aus mitmischen, es gibt ein Streitgespräch zwischen ihm, Roger und dem Referee, La Anexion kommt hinzu – nun ja und wenn zwei oder auch fünf sich streiten, freuen sich immer die anderen, in diesem Fall CPR. Cuervo schlägt der Anexion mal unsaft in die Eier, die beiden gehen raus, Rivas greift Olmo an, während Many und Rivera immer noch diskutieren, die Anexion am Boden, es geht schnell. Olmo hat gegen CPR und einen abgelenkten Referee keine Chance, wird gepinnt. Das Ende ist so rasant, das muss man sich noch mal anschauen. Echt klasse! Sowas will man sehen. El Arquero tut einem ziemlich leid, er wirkt sehr enttäuscht. Der Rabe macht deutlich, dass ihr Ziel der neue Tag Team Titelgürtel ist. Cut.
Die Einspieler bleiben mal außen vor, klar gibt es für die LAWEonDemand-Version viel hinter den Kulissen, viele kurze Promos, das muss sein, natürlich muss man auf die kommenden Matches vorbereiten und einstimmen auf das Match des Abends: El Escorpion vs. La Pesadilla.
Wir machen aber weiter mit dem Ruleta Por El Oro. Fünf Teams treten der Reihe nach gegeneinander an. Beginnend mit Cinte De Oro y Mascara Dorada vs. Los Judas Melendez. Sagt einem nichts? Also mir haben die vier nichts gesagt, Unbekannte sind es nicht. Das Match ist stellenweise sehr langsam, fast schon langweilig, man nimmt sich zu viel Zeit, verkauft die ein oder andere Aktion sehr lahm. Die Teams scheinen so ungleich zu sein, was zwar öfter vorkommt, aber hier irgendwie falsch erscheint, nicht passend, ein Lückenfüller, der vielleicht nicht sein müsste. Das Publikum brüllt zwar ordentlich, aber ob es Begeisterung ist, da bin ich mir nicht so ganz sicher. Irgendwie ist selbst der Ringrichter spannender. Cinte De Oro y Mascara Dorada gewinnen. Nett, man wird sie gleich nochmal sehen gegen Los Bruno. Vater und Sohn, die gleich auf ihre Gegner einprügeln. Baltazar Bruno ist ja Mendoza-Schüler und hat vor einigen Monaten ein tolles Match gegen ihn geboten. Nun also auf dem Summerfest, klar, das gewinnen die beiden, oder? Was anfangs so klar aussieht, wandelt sich mit der Zeit. Die Kontrahenten gewinnen kurzzeitig die Überhand, dann passiert, was nicht passieren darf: Mascara Dorada verliert seine Maske. Schlimmeres geht nicht. Schnell Handtuch über den Kopf, Auftritt Westside Mafia. Hä, was? Es geht los, bevor man es richtig merkt, die Brunos stehen außerhalb des Rings, die Westside Mafia drinnen. Ich blicke nicht mehr so ganz durch, aber immerhin ist mal was los, Baltazar kriegt ein paar Tritte ab, die ihm wirklich zu schaffen machen. Man kann also auch diesen Baum fällen, oder es zumindest versuchen. Schließlich liegt er aber doch am Boden und man versucht ihn zu pinnen, vergebens. Hier ist jetzt endlich mal mehr Power drinnen, das Publikum feuert lautstark die Westside Mafia an, meine Favoriten sind immer noch die Brunos. Leicht ist es nicht, aber es geht ja auch um was. Der nächste Pinversuch schlägt fehl, dann aber gewinnen die Brunos – unter lauten Buh-Rufen. Die Sympathien sind klar verteilt. Sofort geht es weiter. The Sexxy Classics treten auf mit ein paar sexy, leichtbekleideten Damen. Da sind die Blicke erstmal woanders und natürlich findet man so einen Auftritt geil. Irgendwie geht es mehr um die Mädels und JC Jexxx als um Alfredo Melies. Man kann sich dieses Team aber irgendwie nur schwer als ernsthafte Gegner von den Brunos vorstellen, da scheint das Kräfteverhältnis nicht ganz ausgewogen. Doch Wrestling hat seine eigenen Gesetze und mit Technik kann man theoretisch gegen jeden gewinnen.. Das Publikum hat nun neue Favoriten, es sind aber immer noch nicht Vater und Sohn. Und Melies? Der drängt Baltazar mal eben erfolgreich in die Ringecke und lässt sich nur schwerlich wieder abwehren. Wenn man sich ernsthaft für Wrestling interessiert, dann hier noch mal die Empfehlung, wegzugehen von den großen Promotionen, die weltweit bekannt sind und mit viel Blingbling begeistern wollen. Es sind kleinere Promotionen, die den Spirit viel besser verkörpern und die auch sehr ehrlich das wahre Wrestlerleben zeigen. Das Summerfest stellt das sehr gut zur Schau. JC Jexxx steht nun im Ring, oh, der Arme wird schnell fertiggemacht vom gegnerischen Tag Team, Melies kann einen Pin verhindern, dann steht Jexxx kurz auf, um schließlich erschöpft im Ring zu bleiben. Ein Wechsel und wir sehen wieder Melies. Der bringt einen Sprung an, der gefühlt mächtig schiefgeht, als sein Gegner ausweicht. Jetzt wird es wieder schnell. Außerhalb des Ring wird gekämpft, innerhalb des Rings ebenfalls und ehe man sich versieht, hat JC Jexxx Baltazar Bruno gepint. Was? Für mich eine krasse Überraschung, aber das ist Wrestling! Nun geht es um den Gürtel gegen CPR und das dürfte verdammt spannend werden.
Erneuter Schnitt, erneute Promos hinter der Bühne, hier wird ein wenig aufgebaut, was wohl in den kommenden Wochen und Monaten bei LAWE geschehen wird. Natürlich auch immer der Link zum Combat Pit, La Pesadilla vs. Mike Mendoza. Und Portillo muss ja auch noch ran. Zuerst aber Santino Marella vs. El Nazareno. Der wunderbare Mailänder gegen den wunderbaren Boricua in der wunderbaren Schlacht, nein, das hab nicht ich mir ausgedacht, so ist diese Begegnung wirklich betitelt. Auf Laweondemand haben wir gerade mal die erste Stunde des Summerfests hinter uns gebracht. Schätzungsweise wird es anderthalb Stunden nur um die Titelkämpfe und den Combat Pit gehen – den ich, man mag sich wundern, wirklich nicht vorher einmal angesehen habe. Ich habe Respekt davor, auch wenn ich weiß, was passiert. Aber dazu später. El Nazareno tritt auf, das ist schon eine Erscheinung, da steht Erfahrung im Ring. Dann wird es italienisch, kennt man Marella? Der Mann ist Entertainment pur. Er hat sofort die Sympathien der Anwesenden, dann gibt es ein Hin und Her zwischen Nazareno-Santino-Rufen, zu denen letzterer sexy seine Hüften schwingt. Ein kleiner Witz mit der Brille, dann geht es los. Auch hier denkt man, das geht schnell, Nazareno wird das Ding nach Hause bringen. Aber erstmal ist er Spielball des Italieners. Hier sieht man, dass nicht die neue, junge Generation im Ring steht, sondern zwei alte Hasen, die zwischen Show und Wrestling gekonnt hin und her springen und immer wieder mit dem Publikum kommunizieren. Den Kampf muss man einfach sehen und genießen, auch wie sie gegenseitig Kip Ups üben, anstatt zu kämpfen. Das ist pure Unterhaltung auf den Punkt! Auch die beiden haben Spaß und sowas muss man können. Und die Ankündigung stimmt, es ist eine wunderbare Schlacht, die so amüsiert, so mitzieht und so zeitlos ist. Eine solche Darbietung könnte man sich lange ansehen. Selbst das Ende bringt noch mal ein witziges Verwirrspiel mit sich. Vielleicht versteht man das nur als alter Wrestlingfan, ich denke aber, auch als Neuling versteht man den Humor, vielleicht nicht jeden hidden link, aber doch genug, um einfach Spaß zu haben.
Erinnern wir uns noch an O.T. Fernandez? Der hatte sich vor Monaten im Match gegen Riviero Rivas den Fuß gebrochen und muss seitdem leider aussetzen. Mittlerweile humpelt er ab und zu zum Ring, arbeitet hart an seinem Comeback, aber wann das sein wird, steht noch in den Sternen. Wir wünschen ihm jedenfalls weiterhin gute Besserung! Vertreten und verteidigt wird er seit einiger Zeit von Macho Navarro, so auch beim Summerfest. Gegen wen es geht, steht nicht fest, es ist eine offene Herausforderung, jemand muss annehmen – und nun ja, es gibt immer jemanden, da kann man sich sicher sein. Da Fernandez leider nicht ganz aktiv teilnehmen kann, ist es sehr, sehr schön zu sehen, dass er trotzdem seinen Auftritt auf dem Summerfest hat, als fester Bestandteil des LAWE Roosters. Als Gegner tritt Electro auf, den hatten wohl wenige bis gar niemand auf dem Schirm. Der Jungspund hat schon einige Erfolge erzielt und arbeitet sich gekonnt nach oben, dabei ist er für Navarro kein Unbekannter, denn der hatte ihn vor einigen Jahren zu einem Push verholfen. Nun also betritt er unter dem begeisterten Gekreische des Publikums den Ring. Navarro ist nicht so happy damit, beide tragen „Puro Macho“ auf ihren Outfits und damit ist der Link zur gemeinsamen Geschichte für wirklich alle hergestellt. Die Glocke ertönt, es geht los. Zu Beginn ist es ein Umkreisen, die ersten Moves, ein Abtasten. Man hätte vielleicht mehr Wut erwartet, doch die versteckt sich in den Blicken. Fernandez gibt vom Ringrand aus Anweisungen. Auch hier wieder: Langsam, abwartend, eher langweilig, man wartet auf die Spannung, auf die Show, auf eine gute Darbietung. Kennt man doch von beiden auch anders. Das zeigen sie dann auch endlich. Durch Fernandez‚ Hilfe kann Navarro am Ende Electro auch pinnen. Ja, klingt nicht so begeistert, bin ich auch nicht. Irgendwie ist das Match ein bisschen lieblos und ich kann gar nicht genau sagen, woran das liegt.
Next one. Das Hardcorematch, auf das man gewartet hat. Damian 666, bekannt für genau diese Art von Kämpfen, soll gegen Rico Suave antreten, der nicht umsonst den Spitznamen „Mr. Hardcore“ trägt. Doch dieser wird aus einem Krankenhausbett eingeblendet und sagt ab. Damian 666 regt sich natürlich furchtbar auf und ist erstaunt über denjenigen, der stattdessen auftritt: „El Hombre Bestia“ Enyel. Der kommt gleich mal mit elektrischer Sense zum Ring. Das könnte blutiger werden, als erwartet – und man erwartet viel. Zu Beginn wird aufgestachelt, mithilfe des Publikums natürlich auch, dann geht es los. Erstmal mit Kendo-Stock, geführt von Damian 666. Wie wir wissen, sind die Dinger viel besser, wenn der Gegner einen nackten Oberkörper hat, aber auch so tut er ziemlich weg und zack, das erste Blut tropft von der Stirn der Bestie. Der Kendo-Stock hält die Schläge recht gut aus, was eigentlich ungewöhnlich ist, die Teile brechen sehr gerne und das auch gar nicht mal so unbeabsichtigt. Dann hagelt es Schläge auf den nackten Rücken des Älteren, bevor Bestia zu einem Einkaufswagen mit Equipment geht. Verkehrsschilder, Blechmülltonnen und weiteres ist darin gestapelt, fast alles, was man für ein Hardcorematch braucht – und solange es keine Betonblöcke sind, sind wir damit auch recht zufrieden. Was darf auch nicht fehlen? Klar, Stühle und ein … Moment, ein Pizzacutter? Nun ja, warum nicht? Man muss Blut sehen können und ja Leute, das hier ist nicht der sympathische Horrorfilm mit Kunstblut. Es ist verrückt, es ist echt böse, aber es ist auch etwas, das aus dem puertoricanischen Wrestling nicht wegzudenken ist, schließlich waren es die Boricua, die Death Matches erschufen und in der Welt bekanntgemacht haben. Da kommen die Reißzwecken, wer wird da wohl reinfliegen? Es ist dann doch El Hombre Bestia, dem die Dinger in der Haut steckenbleiben. Ganz, ganz, ganz schlimm finde ich, als er auch noch einen Stuhl zwischen die Beine gesteckt bekommt, auf den dann draufgehauen wird. Leute, da tun euch die Eier vom puren Zuschauen weh – was später am Abend noch mal auf andere Weise geschehen wird, und ich bin eine Frau und leide da mit. Oh, wir sind aber noch bei einem anderen Match, außerhalb des Rings mittlerweile, wo Damian 666 Geldscheine aus dem Publikum an den Oberarm seines Gegners tackert. Wrestling ist Fake? Nein, das hier ist echt. Übrigens nicht zu empfehlen für Borderliner, denn die Matches triggern sehr. Das Publikum geht zwar mit, ist aber dennoch eher zurückhaltend, so ganz ist es nicht das Wahre für jeden. Aber ich verspreche euch, dieses Match ist nichts gegen den Combat Pit. Nazareno und Marella tauchen am Rand des Rings auf, lenken ein bisschen ab, so dass El Hombre Bestia gewinnen kann. Das war so nicht geplant – und eigentlich tut mir das sehr leid für Damian 666, der diese Hardcoresequenzen lebt.
Es gibt noch eine tolle, wichtige Botschaft, die den nächsten Kampf betitelt: Unabhängig von Geschlecht oder Orientierung, es ist egal, was oder für wen Gefühle sind, Liebe wird niemals aufhören Liebe zu sein. Es tut gut zu sehen, dass man bei LAWE und überhaupt in Puerto Rico sehr offen ist für die LGBTQ+ Gemeinde, dass es schnurzegal ist, ob man hetero, homo, trans ist – und wenn wir alle mal ganz ehrlich zu uns selbst sind: Es ist auch verdammt egal und sagt einfach nichts über einen Menschen. Also packt Hass und Vorurteile endlich weg – und lieber Profisport: Nehmt euch mal ein Beispiel an Puerto Rico und der dortigen Wrestlingwelt, die sehr offen und sehr normal mit Homo- und Transsexualität umgeht! Pulli La Bella hatte damit seinen Entrance, dann kommt Jon Justice in schöner und sehr spezieller Begleitung. Viele Fans hat er an diesem Abend erstmal nicht. Es gibt viel Diskussionsbedarf außerhalb des Rings, Gürtel werden geschwungen, etwas sehr Typisches für Puerto Rico, zugeschlagen soll dann doch nicht werden, ausnahmsweise. Erster Pinversuch von Pulli. Justice wirkt angeschlagen, fliegt aus dem Ring, wird nun doch mit Gürteln geschlagen. Es ist ein abgesprochenes Spiel, dennoch bekommt es schnell einen sehr bitteren Beigeschmack. Das harte Lachen, unverständliche Zwischenrufe, die Schläge, Klatschen, ein Aufwiegeln. Fast ist es ein großes Schauspiel, das nicht ernstnimmt, was geschieht und die auslacht, die dort im Ring stehen. Als Außenstehender hat man den Eindruck, dass es hier nicht um Wrestling geht, sondern um die symbolische Wirkung. Auch nicht schlecht. Schließlich knockt Justice seine Begleitung aus und gibt Pulli damit die Chance, den Sieg einzustreichen. Das schreit schon wieder nach Rache, kaum dass bis drei gezählt wurde. Doch wie wir in den Wochen danach erfahren, fällt Pulli verletzungsbedingt erstmal aus. Auch ihm wünschen wir gute Besserung! Jetzt geht es um die Botschaft, die bereits zu Beginn erwähnt wurde, Schilder werden im Publikum hochgehalten, darunter „Nein zu Rassismus“, aber vor allem: Wir sind alle gleich. „LAWE, todos somos familia“ – Wir sind eine Familie.
Wir kommen zum ersten Titelkampf, nein, eigentlich zu DEM Titelkampf. Samuray del Sol tritt auf, lässt sich feiern, kriegt er den Gürtel? Er bringt so viel Energie mit, dass man schlagartig wach wird. Ja, wir wissen, welche drei Matches noch vor uns liegen und dieses hier wird zeigen, wer zukünftig das Sagen bei LAWE hat. Carlos Calderon vielleicht? Der tritt nun auf und hat mit seinem Wechsel zur Promotion für Furore gesorgt. Eines sei vorwegzunehmen: LAWE wird nicht den Fehler einer WWE machen und jahrelang einen Champ behalten, der seinen Titel lächerlich bis gar nicht verteidigt, egal wer es an diesem Abend wird. Auftritt Pedro Portillo III. Der Kämpfer hatte bei Cima de Campeones durch das Einsetzen eines Schlagrings im Semifinale dafür gesorgt, dass es auch damals ein Triple-Threat-Match gab, nämlich er selbst, Mike Mendoza und Santana. Er musste sich bekanntermaßen schließlich geschlagen geben und – wenn wir ehrlich sind – war er alles, aber nicht der Mann des Abends. Sollte es je geplant gewesen sein, ihn damals im Mai etwas mehr in den Vordergrund zu rücken, so ist das misslungen. Aber darum geht es jetzt nicht. Der Titel steht erneut auf dem Spiel, Portillo ist bereit, tritt auf, Kinder stehen auf der Bühne und machen das bekannte Tercero-Handzeichen. Kleiner Fakt am Rande: Eines der Kids ist der Sohn von Riviero Rivas. Natürlich singt man gleich im Seven Nations Army-Stil „Oh Pedro Portillo“ und das steckt total an. Im Hintergrund: Dennis Rivera, so nett der Kerl auch sonst ist, er ist das notwendige Arschloch bei LAWE, eine schlimme Mischung aus Paul Heyman und Adam Pearce – und er macht seine Sache so verdammt gut. Wenn man Portillo hier auftreten sieht, mag man sonst zu ihm stehen, wie man will, aber irgendwie hat er diesen Titel verdient. Was immer er vorher gemacht hat, es war die Vorbereitung auf diesen Titel – aber schafft er das heute Abend? Jedenfalls wird er gefeiert, am Rande stehen auch alte Bekannte, diejenigen, die bei der EPWD-Veranstaltung No Actors, Wrestlers für mächtig Stunk gesorgt haben. Da reicht es mir ja schon wieder und ich hoffe fast drauf, dass der Gute verliert. Mal ehrlich, Portillo kann nichts dafür und hat eine gute Fanbase absolut verdient, man muss da wirklich krass unterscheiden zwischen dem, was eine gewisse Fangruppe getan hat und was Portillo tut. Also los geht es. Jeder gegen jeden und da wird ordentlich was geboten. Keiner schont den anderen, vorerst schließt sich auch niemand mit dem anderen zusammen, so dass es zwei gegen einen geht. Calderon und Samuray del Sol bekommen ihre Slots, Portillo wagt einen Sprung aus dem Ring, hui, sowas kenne ich von ihm nicht, kann er bitte öfter zeigen. Hier steht Klasse im Ring und jeder einzelne hätte den Titel verdient. Im Gegensatz zu Cima de Campeones, sind hier die Rollen ein bisschen anders verteilt, gleichberechtigter. Samuray del Sol macht seine Sprünge, es ist toll, ihm zuzusehen, doch er prallt an Portillo ab, der ihn zu pinnen versucht. Wäre aber ein bisschen zu schnell vorbei. Es ist kurzzeitig verdammt ruhig aus der gelben Ecke – eine Fanfraktion, die LAWE geradezu überrollt. Unidad de Inteligencia Ruda, die bald den Schlachtruft „Sin Piedad“ – Ohne Gnade – etablieren und aus den Zuschauerblocks nicht mehr wegzudenken sind. Doch dann geht es wieder los, „Oh Pedro Portillo“, ihm gehören die Herzen des Publikums, deren Unterstützung und wenn wir ganz ehrlich sind: Er hat sie verdient. Immer wieder versucht er, einen Gegner drei Sekunden auf der Matte zu halten. Es gelingt nicht, dann wirft Rivera den Schlagring zu ihm. Er ist zum Markenzeichen geworden, doch bringt vorerst nicht viel, denn Samuray del Sol stürzt sich auf Portillo und hat sehr gute Chancen auf den Sieg. Rivera zieht den Referee an einem Bein aus dem Ring, so kann es einfach nicht enden. Während heftig diskutiert wird, geht es innerhalb des Rings hoch her und Portillo wittert seine Chance auf einen Pin, schmeißt Calderon aus dem Ring und siegt über Samuray del Sol. Äh what? Das ist der Zurückspulmoment. Was ist denn da gerade passiert? Und warum ist das schon vorbei? Irgendwie ging das alles ein bisschen zu schnell und zu einfach, was sehr schade ist, aber Portillo ist der neue LAWE Heavyweight Champion, wird lautstark gefeiert und ist sichtlich ergriffen. Er hat es verdient. Dieser Sieg auf dem Summerfest ist das, worauf er hingearbeitet hat. Felicidades, Pedro!
Weiter geht es mit einem Leitermatch. Ich liebe Leitermatches. Sexxy Classics betreten den Ring, lassen sich feiern, dann erscheinen Cuervo & Riviero. Ja, also so als Gegner hätte ich da vor den beiden Respekt. Rivera ist auch schon wieder da, herrje, der ist auch überall. Es geht los, was ich nur daran merke, dass die anwesenden Teile von CPR auf die Gegner zustürmen und auf sie einprügeln, dann aus dem Ring gehen und Stühle und Leitern ausbuddeln. Wir machen das schnell, Leiter in den Ring, Gürtel gepflückt, fertig. oder? Sexxy Classics sind dagegen. Während Cuervo Jexxx bearbeitet, muss sich im Ring Melies Riviero stellen, macht da allerdings eine bessere Figur. Doch das ist nur von sehr kurzer Dauer. Der Rabe regelt das. Die erste Leiter wird aufgebaut, Riviero hätte das vorher mal üben sollen, wie es scheint. Irgendwann steht sie, er klettert hinauf, greift nach dem Gürtel, Jexxx ist da, sie prügeln sich auf den Stufen, dann gibt es eine Powerbomb von der Leiter auf den Ringboden. Deswegen schauen wir uns das doch an! Erneuter Versuch, die Gürtel zu bekommen, dieses Mal stört Melies und reißt ihn mit einem Suplex zu Boden, der schließlich Cuervo in einiger Höhe gegenübersteht und sich diesem geschlagen geben muss, aber sofort ist Jexxx auf der Leiter und prügelt auf Cuervo ein. Dieser, das muss man mal sagen, ist deutlich gehandycapt durch die Brüche, aber er liefert trotzdem eine gute Show ab. Dennoch bleibt beim Zuschauer – oder auch nur bei mir – ein bisschen Sorge und Angst, ob er bestehen kann, ob alles gut geht. Bei Wrestlern, die verletzt kämpfen, hab ich immer Bauchschmerzen, dass irgendwas passiert, eine kleine Unachtsamkeit, die alles nur noch schlimmer macht. Man darf nicht vergessen: Das sind Menschen, die da stehen, und egal wie viel man trainiert, jeder ist verletzlich und bei einem Profisportler kann ein falscher Tritt, ein falsches Aufkommen zum Karriereende führen. Ja, man kann lächelnd sagen: Nicht mal ein Betonklotz hat den Raben aufgehalten, den Göttern sei Dank, und doch: Jedes Mal im Ring ist eine gewisse Gefahr da und verletzt im Ring zu stehen, macht das Risiko größer. Dass das den Wrestlern oftmals scheinbar egal ist, sieht man an Cuervo und vielen anderen. Was ich ein bisschen erstaunlich finde: Der Referee hält die Leiter. Kennt man so nicht gerade von überall und zeugt von einem gewissen Sicherheitsaspekt. Cuervo ist sauer, er stellt schließlich die Leiter weg und nimmt sich Jexxx vor, Melies will eingreifen, aber das wird nicht zugelassen. Die Kämpfer sind ein wenig erschöpft, das Match ist anstrengend, aber dem Publikum wird was geboten. Es sieht ganz so aus, als würden die Sexxy Classics die Oberhand und das Match gewinnen. Die Leitern werden aufgestellt, beide klettern die wenigen Stufen nach oben, greifen nach den Gürteln, nach dem Sieg. Im letzten Moment retten CPR ihre Chance. Im nächsten Augenblick sind sie es, die nach den Gürteln greifen und diese auch in den Händen halten. Während die beiden ihr Glück noch nicht richtig zu fassen scheinen, stürmt Rivera in den Ring und feiert. Die Ordnung ist hergestellt. CPR haben die Titel. Eine neue Ära bricht an.
Wir warten auf das letzte Match, den Kampf der Kämpfe. Angekündigt wurde der Combat Pit sehr geheimnisvoll, erst wenige Tage zuvor wurde auf der Pressekonferenz bekanntgegeben, was die Zuschauer erwartet. Und wir hatten keine Ahnung, keine Vorstellung, was wir tatsächlich zu sehen bekommen würden. Zwei großartige Kämpfer, beide haben eine Rechnung offen. Dass hier allerdings Geschichte geschrieben würde, wenn Mike Mendoza sich gegen La Pesadilla stellt, hat wohl kaum einer geahnt. Man hat noch das Bild im Kopf, wie ein wütender, verstörter Mendoza in die Kamera schreit „Tu, Orlando Colon, tu, la Pesadilla vs. Mike Mendoza“. Es ist ein Kampf, auf den man im Vorfeld aufgeregt ängstlich blickte, und über den man im Nachhinein ehrfürchtig sprach.
Bevor der Combat Pit gezeigt wird, erscheint eine deutlich Warnung, die folgenden Szenen Kindern nicht zu zeigen und Personen, die … nun sagen wir, auf eine vernünftige Weise empfindlich gegen Gewalt und Blut sind. Ich gebe ehrlich zu, ich war im Vorfeld nervös und in Deutschland zu sitzen und nichts vom Summerfest mitzubekommen, war die Hölle. Der Start des Kampfes hat sich durch ein Unwetter hinausgezögert, doch davon wusste ich nichts. Ich checkte nur alle paar Minuten mein Handy, um irgendeine Info zu bekommen. Ehrlich: Das Ding hätte ganz anders ausgehen können und ich hatte Angst, wie schlimm einer der beiden verletzt werden würde. Nun also kann ich den Kampf einen knappen Monat nach dem Summerfest sehen. Die Möglichkeit hätte schon vorher bestanden, aber ich habe mir nur Ausschnitte angesehen, nicht, weil ich kein Blut oder so sehen könnte, sondern aus reiner Ehrfurcht und großem Respekt. Ich kenne die Fotos von einem blutendem Mendoza danach und von einem gezeichneten Colon, weiß, wie es zu den Verletzungen kam und dieser Spirit dieses Combat Pits war auch 7.000 km entfernt durch die Sozialen Medien spürbar – und wie immer es in Mendoza wirklich danach ausgesehen hat, er wirkte schlaflos, aufgekratzt, als wolle er etwas ausdrücken, das in ihm tobte, das er nicht in Worte fassen konnte. Colon hingegen tauchte unter, schwieg, ließ nur einmal kurz verlauten: Es geht mir den Umständen entsprechend, danke der Nachfrage. Doch kommen wir nun endlich mal zum Kampf. Fünf Stationen a fünf Minuten. Kein Stopp, alle Stationen müssen durchkämpft werden. La Pesadilla tritt auf, es ist mitten in der Nacht, das Publikum hat sich deutlich reduziert, die Nachwehen des Unwetters sind zu sehen, überall steht Wasser. Da er mit Maske auftritt, fragt man sich, ob wirklich Orlando Colon antritt. Mike Mendoza tritt auf. Auf dem Weg zum Ring hat man den Eindruck, dass er sich noch einmal konzentriert und ein Mantra spricht, ob er betet oder an seine Familie denkt, wer weiß das schon. Er wirkt seltsam angespannt, konzentriert, nervös, alles in einem; ob er sich irgendwann während dieser Schlacht fragt, warum er sich das antut, ob es eine Sekunde gibt, in der sowas wie Reue empfindet, sich darauf eingelassen zu haben? Mendoza weiß, was diese Nacht bedeuten kann – und das hier muss er tun. Er weiß um das Risiko und das hier ist der Kampf gegen sich selbst, der Kampf seiner bisherigen Karriere. Hierauf hat er hingearbeitet, ohne es zu wissen. Stage 1 – Dog Collar Match. Den Kontrahenten werden Halsbänder umgelegt, verbunden durch eine Kette. Es geht los. Mendoza greift sofort aggressiv an, es sieht aus, als wolle er es schnell hinter sich bringen, bevor alle fünf Stationen abgelaufen sind. Doch dann will er auf die Ringseile und wird von Pesadilla durch einen kräftigen Zug an der Kette mitten in den Ring geschleudert. Der Alptraum schlägt auf ihn ein und fügt Mendoza eine blutende Wunde Kopfwunde zu. Die Szene hat mich erst enttäuscht, dann jedoch wurde mir klar, dass es ist egal ist – warum die Enttäuschung? Das verstehen nur echte Wrestlingfans und nachdem ich Mendoza auf Instagram öffentlich meine Meinung dazu entgegengeschleudert habe und ein bisschen Zeit vergangen ist, ist mir bewusst geworden, dass es mich stört, dass es mein Mag-ich-nicht-Ding ist, aber ein Teil davon ist, dazugehört und an dieser Stelle für diesen Kampf etwas war, was irgendwie da sein musste, auch wenn man später merkt, dass es vielleicht gar nicht hätte sein müssen. Wer wissen will, was mich störte, muss sich die Szene entweder selbst anschauen oder per PN fragen. Mendoza blutet also aus einer Kopfwunde. Das Blut läuft über sein Gesicht, verleiht ihm ein martialisches Aussehen. Es geht außerhalb des Rings weiter, er kann einem Schlag mit der Kette ausweichen, geht auf Pesadilla los, schiebt ihn zurück in den Ring. Letzterer lässt sich rausfallen und zieht Mendoza am Halsband über das oberste Seil nach unten. Ein Würgeeffekt entsteht, Mendoza hängt irgendwann benommen in den Seilen. Die Kopfwunde scheint ihm ein bisschen zu schaffen zu machen. Aber immer wieder kommt Wut durch. Und plötzlich zählen wir wieder von 10 bis 0, die ersten fünf Minuten sind vorbei, Straßenkampf ist angesagt. Noch sind beide mit den Halsbändern verbunden, blutbeschmiert, die Maske ist zerrissen, Colon ist wirklich drunter. Er greift einen Stuhl, schlägt auf Mendoza ein, man hört Schreie, hier ist nichts Fake. Wieder weicht El Escorpion aus und wehr sich. Die Halsbänder wurden zwischenzeitlich eilig entfernt. Es geht raus, weg vom Ring durch die Reihen des Anfiteatros, auf die Betontreppen, durch das Publikum. Es gibt einen Suplex gegen Colon, der in meinen Augen etwas schiefgeht, weil es so aussieht, als würde er auf der Stufenkante landen, was sicherlich nicht beabsichtigt war. Die beiden sind mittlerweile tropfnass, weil sie sich in einer Wasserlache, übriggeblieben vom Unwetter, wälzen. Weiter, die Stufen nach oben, Schläge, Colon zieht die Maske ganz ab, sie prügeln sich wie man es früher getan hat auf der Straße. Es gibt zwar einen Referee, aber was soll der tun? Er hat keine Aufgabe, es gibt nichts Unerlaubtes, nur mögliche Pinversuche und das lässt noch keiner der Kontrahenten zu. Beide sind auf dem Boden, schnappen nach Luft, Colon kann eher wieder aufstehen. Mittlerweile hat auch er eine klaffende Wunde am Kopf. Weitere Stufen nach oben, dann zerstören die beiden die Seitenwand einer mobilen Toilette. Es geht nach unten. Tritte gegen den Kopf, Stürze über die Handläufe. Mendoza torkelt, er wirkt geschwächt, macht sich der Blutverlust ebenfalls bemerkbar neben der körperlichen Anstrengung? Dann folgt ein Tritt in die Eier, ich hoffe immer noch, dass der ein bisschen gefaket ist, mir ist zwar die Familienplanung von Mendoza reichlich egal, aber sowas tut halt weh – beim Zusehen. Weiter geht es zum Ring, es wird ein Stuhl geworfen, Colon am Boden , sind die fünf Minuten denn immer noch nicht vorbei? Beide sind sichtlich angeschlagen, das hier ist kein normales Match, da schlägt man dann auch mal mit dem Regenschirm auf den Gegner ein. Mir fallen tausende literarische Vergleiche für das Match in seiner Gesamtheit und einzelne Szenen ein. Irgendwann ist es geradezu biblisch und man wartet auf einen Simon von Cyrene (einfach mal im Neuen Testament nach ihm suchen 😉 ) Es sind noch keine zehn Minuten vergangen und ich wünsche mir inständig, dass Mendoza aufhört. Er teilt aus, ja, aber er steckt noch so viel mehr ein und da kommen ja noch weitere 15 Minuten, mindestens. Was zur Hölle tut er sich hier an? Einen Tritt in die Fresse. Er liegt auf den Stufen, kriecht weg, das Gesicht ist eine blutverschmierte Fratze. Dann wird er auf einen Stuhl gesetzt, doch als Colon angerannt kommt, springt der Jüngere auf und bringt einen Kick an. Beide wechseln sich auf dem Stuhl ab, jeder kassiert Sidekicks, als beide erschöpft getroffen auf dem Boden liegen, beginnen Pesadilla-Rufe. Endlich erscheint die Zehn, doch Mike kassiert noch einen Schlag mit einem Metalldeckel.
Ein paar Dinge fallen auf. Es ist das erste Match, in dem Mendoza nicht ständig den Sitz seiner Hose korrigiert oder sich durch die Haare fährt. Außerdem wirkt er noch muskulöser, als hätte er in den Wochen vor dieser Nacht in seinem Studio gelebt und nochmal ein paar Kilo Muskelmasse hinzugewonnen. Der Rücken und die Oberarme wirken noch stärker, definierter. Und Colon? Gefühlt habe ich ihn noch nie so gesehen. In seiner WWE-Zeit waren das eben bravere Matches, familienfreundlich. Er wirkt dennoch ein bisschen außer Form, ein bisschen schneller erschöpft, er ist auch älter, ja. Und es ist keinesfalls so, dass er das Opfer ist, das nur einsteckt, ganz im Gegenteil.
Barbwire Match, Stacheldraht. Wer bisher Blut ertragen konnte, muss sich genau jetzt fragen: Wenn Stacheldraht um einen Ring gespannt wird, wird logischerweise mal jemand darin landen. Kann man sehen, kann man ertragen, dass dieser Draht in der Haut steckenbleibt, sie aufreißt? Man kann das nicht beschönigen, aber man muss es sich anschauen können oder eben mal ein paar Minuten überspringen, also eigentlich alles bis zum Schluss. Während sich die beiden durch das Publikum geprügelt haben, wurde rund um den Ring um das oberste und mittlere Seil Stacheldraht gezogen. Colon weist seinem Gegner lachend den Weg zum Ring. Da müssen wir rein. Er ist der erste im Ring, Mike lässt sich Zeit, rollt hinein, steht mühsam auf. Dann ballt er die Fäuste, brüllt, eine Kampfansage und doch sieht es so aus, als hätte er zuweilen Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten. Nun beginnen aber (endlich) die Mike Mendoza-Rufe und die beiden Fanlager brüllen sich gegenseitig nieder. Es ist nicht so, dass El Escorpion nicht gemocht wird, aber wie ich vor wenigen Tagen gelernt habe, ist er – nennen wir es – umstritten aus verschiedenen Gründen. Anwesend an diesem Abend scheinen mehr Pesadilla-Fans zu sein und doch, während des Matches schlägt die Stimmung um, denn man erkennt absolut an, was ein Mike Mendoza hier zeigt, wie viel er einsteckt und dass er über seine Grenzen hinausgeht. Die Kontrahenten stehen Stirn an Stirn, schlagen aufeinander ein, Mendoza geht auf die Knie. Keiner will im Stacheldraht landen, mit aller Kraft kann Mike sich endlich wehren, Colon zu Boden schleudern und den ersten Pinversuch anbringen. Wir wissen alle, dass wir alles sehen werden und garantiert niemand vorher gepinnt werden wird. Colon wird als erstes gegen den Draht geschleudert, das Publikum schreit auf, und gleich darauf nochmal. Ein Junge, vielleicht acht, neun, zehn Jahre steht in der ersten Reihe im Publikum und feuert Mike an, schreit immer wieder seinen Namen – es bleibt inständig zu hoffen, dass die beiden Kids von Mendoza nicht da sind und das nicht sehen und der Kleine nicht sein Sohn ist – der würde wohl aber auch nicht Mike rufen. Ein Stück Stacheldraht liegt im Ring, Mike ergreift es, setzt es an Colons Kopf an und zieht. Man kennt diese Szene sehr gut von einem anderen Match aus längst vergangen puertoricanischen Tagen. War auch ein Colon … Doch dann steht Colon wieder auf, wirft Mike gegen den Stacheldraht, drückt ihn dagegen. Mike ist gefangen zwischen Stacheldraht und Ringseilen, will einem Schlag mit dem eben erwähnten Stück Draht ausweichen, lässt sich fallen und treibt sich dabei erst recht die scharfen Zacken in den Rücken. Colon merkt das und lässt sofort von ihm ab, denn trotz allem sind beide so viel Profi, dass sie um die Sicherheit des anderen bemüht sind und keine ernsthaften Verletzungen mit schlimmeren Folgen provozieren wollen. Klingt vielleicht seltsam, aber auch Death Matches haben Regeln – meistens zumindest. Mendoza versucht, den Stacheldraht aus der Haut zu ziehen, er sitzt tief, er schafft es nicht, bittet um Hilfe, die er auch bekommt. Man schneidet den Draht ab, ein Stück bleibt im Arm stecken. Es muss höllisch wehtun und Mendoza muss in diesem Moment wissen, was es bedeutet, wenn er auf diesem Arm und dieser Stelle landet. Ja, verdammt, es ist total irre und unmenschlich und verrückt und jeder kann sagen, dass die beiden spinnen und Mendoza total dumm ist, dass er sowas macht, dass er weitermacht, aber das hier ist sein Leben. Es ist das Match seines Lebens, es ist das Risiko, das er bereit ist, einzugehen. Aufgeben kommt nicht infrage, vermutlich nicht einmal der Gedanke daran. Das Adrenalin in seinem Körper kocht schätzungsweise, seine Gedanken mögen in ungeahnter Geschwindigkeit durch seinen Kopf rasen, irgendwo wird er Schmerzen spüren, die ihn aber aufpushen und noch mehr anstacheln, es muss weitergehen, damit es enden kann, er muss weitermachen, er hat nicht sein Leben lang auf dieses Match gewartet, ohne es zu wissen, um es dann abzubrechen. Sein Blut malt wilde Szenen auf den Ringboden, der Stacheldraht in der Haut und die Kopfwunde, der Blutverlust werden für gewisse Taubheit, Benommenheit und Einschränkung verantwortlich sein, aber das alles wird durch das Adrenalin niedergeschmettert. Er versucht erneut, Colon zu pinnen, läuft zu neuer Höchstform auf, Colon dreht sich raus, Mendoza versucht gleich den nächsten Pin. Im Hintergrund stürmen CPR heran, jetzt wird es wild. Mendoza springt über das oberste Ringseil auf die drei. Man hört ihn schreien. Ich möchte Mike Mendoza nie wieder schreien hören, bitte. Irgendwie zählt die Uhr im Hintergrund die Sekunden, Stage 4, Super Libre, La Anexion stürzen zum Ring, es passiert viel. Jeder prügelt auf jeden ein, das gibt den beiden Hauptkämpfern eine kurze Verschnaufpause. Ein Tisch wird in den Ring geschoben. Was kommt denn jetzt, was ist denn überhaupt Super Libre und … El Vikingo ist da? Wrestlinglegende und Großvater von Mendoza. Die Anexion im Ring, lässt sich feiern, Reißzwecken werden auf dem Tisch verteilt, CPR hängt mit Kabelbindern gefesselt außerhalb des Rings – es ist die Rache für Humacao. Der Großvater umarmt stolz den Enkel, dessen Beine zittern. Es ist zu viel, hört auf, bitte! Eine Flüssigkeit wird auf dem Tisch verteilt, Fashion und Davidson nehmen Colon in die Mitte, El Vikingo entzündet den Tisch. Mendoza wirft den Alptraum durch den brennenden Tisch, weicht vor den Flammen zurück. Colon wälzt sich auf dem Boden durch den Ring nach draußen, um die Flammen auf der Haut zu löschen, kriecht zurück, Mendoza will ihn pinnen, keine Chance. Es reicht, die beiden haben sichtlich genug. Noch einmal erhebt sich El Escorpion über La Pesadilla, kann sich kaum auf den Beinen halten, die letzte Kraft, Go to Sleep, der Finisher, 1 – 2 – 3. Mendoza hat gewonnen, hat den Alptraum besieht, stützt sich auf seine Teamkollegen. Total erschöpft, kaum fähig zu stehen oder den Kopf zu heben. Es ist ein Bild für die Ewigkeit, blutüberströmt reckt er die Hand nach oben. Er bedankt sich mit einer Geste bei – dem Universum?
Mike Mendoza hat sich mit diesem Kampf unsterblich gemacht. Er musste das tun, für das, was er liebt, für das Wrestling, für Puerto Rico, am meisten aber für sich selbst. Was ihm dieser Kampf bedeutet hat, das weiß wohl nur er selbst. An diesem Abend ist eine Legende geboren und egal, ob man ihn mag oder nicht: Man muss mit größtem Respekt und aller Hochachtung auf diesen Kämpfer schauen. Am Ende ging es beim Summerfest nur darum, denn dieser Combat Pit hat alles vereint: Die harte Arbeit für das Wrestling, die Liebe dazu, dass man das Kämpfen im Blut haben muss und bereit sein, jedes Risiko einzugehen und über sich selbst hinauszuwachsen. Man hat danach wenig über und von Colon gehört, der schlimme Brandwunden am Rücken erlitten hat. Aber das war auch dem Umstand geschuldet, dass er dort als gesichtsloser Alptraum aufgetreten ist. Dennoch gilt auch ihm größter Respekt.
Doch am Ende bleibt nur zu sagen: Du hast der Welt ein Match für die Ewigkeit geschenkt, hast gezeigt, dass Du Wrestler und kein Schauspieler bist, dass das Wrestling Dein Leben ist, dass Du Wrestling bist, und Du hast Dich unsterblich gemacht. Gracias Mike – und tu das bitte nie wieder!
Was bleibt vom Summerfest? Tausend tolle Momente und unvergessliche Erinnerungen. Neue Freundschaften, viele Fotos, unzähliges Lächeln. Es gab noch mehr, natürlich auch die Frauenmatches, die aber nicht in der Full Show Aufzeichnung enthalten sind, sondern später verfügbar waren. Das hätte alles so sehr den Rahmen gesprengt. Ein Tag, an dem das Wrestling gefeiert wurde und für den wir Fans uns gar nicht genug bedanken können: Danke an LAWE, an all die zahlreichen Mitarbeitenden im Hintergrund, an die Luchadores – und ein Aufruf an euch da draußen: Lasst euch mal drauf ein und versucht zu verstehen, dass Wrestling sehr viel mehr ist. Harte Arbeit, viel Entbehrung, ein immerwährendes Risiko, ein Traum, ein Lebensgefühl – und über allem eine feste Gemeinschaft, etwas Echtes, das verbindet, eine große Familie. Egal, ob ihr bereits Wrestlingliebhaber seid oder nicht, klickt mal bei der LAWE rein. Ihr werdet altbekannte Gesichter sehen und viele neue, tolle Kämpfer kennenlernen, ihr werdet einen ganz bestimmten Spirit spüren, eine Aufbruchsstimmung. Es ist Wrestling, ohne Glanz, Glamour und Schauspielerei – aber mit purer Leidenschaft.
Gracias LAWE!
© Pictures by LAWE
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