Live: Böhse Onkelz – 21.09.2022 – Olympiahalle München


Gehasst – verdammt – vergöttert … wie anders als mit einem Songtitel ihres 92er Heilige Lieder Albums könnte man die Böhsen Onkelz treffender beschreiben? Und eigentlich wäre der 27. April 2020 ein Grund zum Abfeiern gewesen – tja, wenn da nicht diese unsägliche Covid-Pandemie dem öffentlichen Leben einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Nichts ging mehr. Keine Konzerte – kein Abfeiern – keine Dröhnung aus raumhohen Lautsprechertürmen. Tote Hose im ganzen Land. Jetzt, satte zweieinhalb Jahre später war’s dann endlich soweit: Die Onkelz-Konzerte wurde endlich nachgeholt. Die Olympiahalle war an beiden Tagen erwartungsgemäß rappelvoll und mit jeweils gut 12.000 Anhängern restlos ausverkauft. Wir waren recht früh an der Halle und durch die gut organisierte Security gab’s auch wenig Verzögerung beim Einlass. Da die Arena noch nicht voll war, ließ uns eine freundliche Security-Mitarbeiterin auch noch vor den Wellenbrecher. Erste Reihe in der Oly-Halle ist trotz meines schon etwas fortgeschrittenen Alters auch mal wieder schön.

Pünktlich um 19:30 Uhr ging’s los mit der Vorband Florence Black. Einem Powerrock-Trio aus Wales, bestehend aus Tristan Thomas an Gesang und Gitarre, Jordan Evans am Bass und Perry Davis hinter der Schießbude. Die Backingvocals teilen sich Evans und Davis. Das Trio legte auch gleich los wie die Feuerwehr. Der Auftritt war nicht schlecht und wusste auch eine gute Anzahl Fans zu überzeugen. Leider heißt „nicht schlecht“ aber auch nicht unbedingt gut, und nach der dritten, vierten Nummer schlich sich ein Gefühl von Gleichheit ein. Die Songs waren aufgrund der musikalischen Einschränkungen durch die Triobesetzung doch immer wieder nach dem selben Muster gestrickt. Eine zweite Gitarre würde dem Ganzen sehr gut stehen. Gut 45 Minuten durften sich Florence Black auf der großen Bühne austoben, ehe sie höflich verabschiedet wurden.

Nach einer halben Stunde Umbaupause war es dann endlich soweit:

„Endlich wieder neue „alte“ Noten, neue alte Schweinereien. Fiese Lieder, harte Worte. So soll es sein“. Es gibt wahrlich keine zweite Band, die ihre Fans und Anhänger so dermaßen als Teil ihrer Familie betrachten und welche so dermaßen vergöttert wird, wie die Frankfurter Jungs der Böhsen Onkelz. Schon beim Intro vom Band auf dem quer über die komplette Bühne nur eine Wolkenformation mit blitzenden Scheinwerfern zu sehen war, ging der Punk ab. Von Null auf Hundert in einer Sekunde ließen 12.000 Familienmitglieder eine Jubelarie los, wie es sonst niemand schaffen würde. Da mussten sich sogar Lemmy oder die Rammsteinjünger mit den zweiten Plätzen begnügen. Wenn man sonst den üblichen Schmonzes an riesigen Bühnenaufbauten betrachtet, den sogenannte Superstars bei großen Konzerten aufbauen, wurde man hier positiv überrascht. Auf der Bühne war außer einem leicht erhöhten Drumkit von Pe – nichts! Lediglich riesige Videowände über die komplette Bühnenbreite, damit man hinten in der Halle die Jungs auch gut sehen konnte. Mit „Hier sind die Onkelz“ gings auch gleich in die Vollen mit einem Hit aus dem Jahre 1995. Übergangslos krachte „So sind wir“ ins Rund … 88 auf den Kneipenterroristen drauf und wurde genauso gefeiert. Man konnte sofort sehen, dass die Onkelz genauso auf diesen Moment hingefiebert hatten, wie die tausenden tanzenden Fans. Stephan kam aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus, Gonzo versprühte gute Laune wie geht nicht mehr und Kevin war voll auf der Höhe und spitzenmäßig bei Stimme. Peter Schorowsky sah man die Coronopause ein klein wenig an (gut, dass die Videowände da waren, sonst sah man wenig von ihm). Als Schwerhandwerker hinter den Trommeln pumpte er gehörig, lieferte aber perfekt ab wie gewohnt. Schon bei den ersten Ansagen ertönte aus tausenden von Kehlen „Oh, wie ist das schön … so was hat man lange nicht gesehen“. Lachende Fassungslosigkeit auf der Bühne angesichts dieser Fantreue. Auf den nächsten Song hatten sehr viele Fans seit Jahren gewartet … endlich einmal legal live erleben. Es ging ganz zurück an den Anfang zum legendären Titeltrack ihres Debutalbums. „Ich bin der nette Mann von nebenan, und jeder könnt′ es sein. Schaut mich an, schaut mich an, ich bin das perverse Schwein“ donnerte es aus den Boxen. 1986 wurde das Album von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdete Schriften indiziert und aus dem Verkehr gezogen. Aus Dummheit und Unverständnis oder Falschinterpretation des Inhaltes. Egal … mittlerweile wurde die Indizierung teilweise wieder aufgehoben und wenn man den Text zum netten Mann hört, ist dieser brandaktueller denn je. Mittlerweile begannen sich die ersten Moshpits zu bilden, die Stimmung kochte. Mit „Finde die Wahrheit“ bleiben wir im vorigen Jahrhundert, ehe es mit „Kuchen und Bier“ in die Neuzeit zum letzten Album ging. Egal ob alt oder neu – es wurde einfach gefeiert. Von ganz neu zu ganz alt machten die Onkelz einen Rückwärtssalto ins Jahr 1985 zu „Stunde des Siegers“ vom Böhse Menschen, böhse Lieder Album.

Tja … auch wenn sich in die 90ern fast alle Medien gegen die Böhsen Onkelz eingeschossen hatten, ihre Songs von MTV und VIVA nicht gespielt wurden und ihre Platten von WOM, MediaMarkt oder Saturn Hansa nicht verkauft wurden – ihrer wachsenden Popularität tat dies keinen Abbruch. 1992 erschien das Album Heilige Lieder, welches ihnen ihre erste goldene Schallplatte einbrachte. Darauf zu finden sind die beiden folgenden Songs „Ich bin in dir“ und der Track „Gehasst – verdammt – vergöttert“, ersterer wurde aber in der neuen Version von 2001 gespielt und „GVV“ ist eine der Hymnen, die zum Synonym für das Verhältnis Böhse Onkelz und Rest der Welt dienen könnte. Keine „Leeren Worte“ waren die warmen Worte, die Stephan Weidner immer wieder an die Fans richtete. Sichtlich bewegt von dieser begeisterten Fanliebe, schien sein Grinsen links und rechts unter den Ohren festgetackert zu sein. Matthias „Gonzo“ Röhr tobte wie ein tanzender Derwisch kreuz und quer über die ganze Bühne und machte seine Späße mit den Fans. Ein Solo nach dem anderen krachte aus den Boxen in die Halle. Mit „Ein Hoch auf die Toten“ und „Narben“ wurde das 21. Jahrhundert bedient, ehe es mit „Schöne neue Welt“, „Benutz mich“, „Kirche“ und „Terpentin“ wieder in die 90er Jahre ging. Besonders „Terpentin“ ist einer der ewigen Mitgröl-Hits der Onkelz. Der nächste Song ist laut Onkelz Webseite das „Lied, das der Band am meisten Kraft gekostet hat, den Fans am meisten Kraft spendete“ und eines der „wichtigsten Onkelz-Lieder aller Zeiten“. Die Rede ist natürlich von „Nur die Besten sterben jung“, dem Song über ihren Freund Andreas „Trimmi“ Trimborn, der im Juni 1990 vor der Hard’n’Heavy-Kneipe Speak Easy in Frankfurt von einem Bundeswehrsoldaten mit einem Messer niedergestochen und tödlich verletzt wurde. Die darauffolgenden „Flügel für dich“ und „Die Erinnerung tanzt in meinem Kopf“ sind wieder auf dem 2020er Album Böhse Onkelz zu finden, ehe es 20 Jahre zurückging zur Abrechnung mit dem unsäglichen Boykott der damaligen Musiksender und den Songs der Böhsen Onkelz. „Keine Amnestie für MTV“ lautete der Titel und wird immer wieder gern gehört.
Ja mei, wie der Bayer so schön sagt … Die Onkelz sind heutzutage on Top wie eh und je, und MTV schaut keine Sau mehr. Hätten sie mal besser auf die Musikfans gehört, als auf den Boykottzug der Industrie aufzuspringen seinerzeit. Die Geschichte hat den Onkelz Recht gegeben. Im Laufe des Konzertes steigerte sich Kevin Russell immer mehr in die Songs und seine Stimmgewalt war wie zu den besten Zeiten. Kevin ist anscheinend fit wie ein Jungspund. Im Mai 2004 gaben die Böhsen Onkelz bekanntlich ihre Auflösung bekannt, welche im Juni 2005 im legendären Abschieds-Open Air am Euro Speedway Lausitz vor gut 120.000 Fans gipfelte. Neun Jahre lang war außer den unsäglichen Nachrichten über Kevin so gut wie nichts von den Onkelz zu lesen. Die vier Frankfurter pflegten ihre Solo-Karrieren und brachten eigene Ergüsse unters geneigte Volk, ehe es 2014 unruhig wurde. „Endlich wieder neue Noten, neue Schweinereien. Fiese Lieder, harte Worte. So soll es sein“, diese Textzeilen aus 1991 läuteten auch die Wiederauferstehung der Böhsen Onkelz ein. Die Onkelz hatten eben noch nicht fertig. „Wir ham‘ noch lange nicht genug“ schrien sie in die Welt hinaus und legten mal eben zwei Auftritte vor 200.000 Fans am Hockenheim-Ring hin. Und mit eben genau diesem „Wir ham‘ noch lange nicht genug“ beendeten die Onkelz ihr reguläres Set an diesem Abend. Jubelstürme und das obligatorische „Oh wie ist das schön …“ ließen die Band nur kurz zum Verschnaufen hinter der Bühne verweilen.

Warme Worte in Richtung Fans ließen Stephan Weidner und Co strahlen. Mit Freuden sagte Stephan, dass mittlerweile auch die nächste Generation Onkelz am Start sei, und stellte den jungen Keyboarder vor, der einige Songs am hinteren Bühnenrand begleitet hatte. Es stellte sich heraus, dass es Vincent Röhr war, der Sohn von Gonzo, der bereits seit 2019 die Onkelz als Live-Keyboarder unterstützt. Mit „Heilige Lieder“ und der Mega-Hymne „Auf gute Freunde“ begann der Zugabenteil. Riesige Moshpits brachten die Fans immer wieder in Wallung, ehe Weidner ganz unschuldig ein paar Mal in die Menge rief: „Was wollt ihr hör’n?“ Die Antwort war natürlich sonnenklar und mit seinem langgezogenen „Pendeeeejoooo“ brachte er die Fans zur Raserei. „Mexico“, anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1986 in Mexiko geschrieben und unverzichtbar auf jedem Onkelz-Konzert, donnerte durch die Halle und wirklich alle sangen laut mit. An der üblichen Stelle rief Stephan in die Menge, dass jetzt die Stelle zum Tanzen komme. Doch wie sollte das denn gehen, wenn die ganze Halle schon seit über einer Stunde am Tanzen war. Mit „Nichts ist für die Ewigkeit“ beendeten die Böhsen Onkelz auch den Zugabenteil und alles wartete auf den Song, ohne den ein Onkelz Konzert eigentlich nicht sein darf. „Erinnerungen“ … bisher immer ein würdiger Abschluss, blieb heute im Sack. Stattdessen gab’s nochmal Vollgas beim abschließenden Song „Viva Los Tioz“.

Das war’s aber jetzt auch wirklich. 12.000 Familienmitglieder verabschiedeten La Familia standesgemäß und gingen beseelt nach Hause. Es war wirklich wieder ein grandioser Abend mit vielen Freunden. Hoffen wir mal, dass bis zum nächsten Termin nicht wieder was Pandemieartiges dazwischenkommt. Wir für unseren Teil besuchen den Herrn Weidner, alias Der W. in vier Wochen erstmal in Nürnberg im Hirsch.

Setlist:
01 – Hier sind die Onkelz
02 – So sind wir
03 – Der nette Mann
04 – Finde die Wahrheit
05 – Kuchen und Bier
06 – Stunde des Siegers
07 – Ich bin in dir (Version 2001)
08 – Gehasst, verdammt, vergöttert
09 – Leere Worte
10 – Ein Hoch auf die Toten
11 – Narben
12 – Schöne neue Welt
13 – Kirche
14 – Benutz mich
15 – Terpentin
16 – Nur die Besten sterben jung
17 – Flügel für dich
18 – Die Erinnerung tanzt in meinem Kopf
19 – Keine Amnestie für MTV
20 – Wir ham‘ noch lange nicht genug
[Zugaben 1]
21 – Heilige Lieder
22 – Auf gute Freunde
23 – Mexico
24 – Nichts ist für die Ewigkeit
[Zugaben 2]
25 – Viva los Tioz

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