Buch: Catherine Ryan Howard – The Nothing Man


Sind Sie nicht das Mädchen, das…? Eve Black hat ihre wahre Identität und ihre Geschichte jahrelang verheimlicht. Zu tief sitzen die Wunden, zu sehr ist sie überfordert mit der Situation und weiß nicht, wie und ob sie überhaupt darüber sprechen soll. Als sie zwölf Jahre alt war, schlich sich ein Serienmörder in ihr Zuhause und tötete ihre Eltern und ihre Schwester. Das ist Jahre her und nun hat sie ein Buch über den Nothing Man geschrieben und will nicht mehr das Mädchen sein, das den Nothing Man überlebte, sondern die Frau, die ihn fasst…

Catherine Ryan Howard baut ihren Thriller spannend auf, wie eine richtige True-Crime-Story. Zum einen hat man das Buch von Eve Black, die den Nothing Man und all seine Taten beschreibt, gleichzeitig ihr eigenes Leben reflektiert, denn sie ist die Überlebende. Auf der anderen Seite hat man Jim Doyle, einen Ex-Polizisten, jetzt Kaufhausdetektiv, der das Buch in die Hände bekommt und ein einziges Ziel hat: Zu beenden, was er vor Jahren begonnen hat, denn er ist der Nothing Man. Bis zum Schluss fragt man sich, ist das wirklich True Crime, ist das eine reale Story? Die Abwechslung zwischen der Erzählung von Eve Black und der Reaktion von Jim Doyle ist ein sehr gutes Element. Es verwirrt nicht und es gibt keine zu harten Cuts, die den Leser fragend zurückblättern lassen, was gerade geschehen ist und wo man jetzt in der Story ist. Aber die Beschreibung von Black ist auch nicht eine trockene Aneinanderreihung der Taten und der harten Fakten, wie der Serienkiller seine Opfer gefunden und getötet hat, sondern changiert zwischen dem sachlichen Zusammentragen der Fakten und der Geschehnisse an den Tatorten. In der Jetztzeit kommentiert und reagiert Doyle auf das, was er da über sich lesen muss, seine Wut wächst, er fühlt sich unverstanden, aber gleichzeitig vollkommen sicher, dass er weiterhin unentdeckt bleiben wird.

Die Spannung, die durch diese Erzählweise aufgebaut wird, kann sich bis zum Ende hin halten. Es gibt Längen und manche Szenen in Blacks Buch, die man nicht gebraucht hätte, so meint man. Betrachtet man aber das Gesamtkonzept, so machen es gerade diese Seiten aus, dass man den Eindruck bekommt, Eve Blacks Buch ist eine authentische Erzählung eines wahren Verbrechens und sie ein wahres Opfer, das zwischen Sachlichkeit und Emotion balancierend dem Mörder ihrer Familie auf die Spur kommen möchte.

Man fragt sich lange Zeit gar nicht, wie alles ausgehen wird, und ist dann überrascht, dass es doch eine Art Showdown gibt, eine Auflösung des Konstrukts. Eine Szene, eine kleine Sache bleibt ungeklärt, man ist sich nicht sicher, ob der Nothing Man sich dieses Detail ausgedacht hat oder sie der fiktiven Realität entspricht, denn Eve Black verweigert eine Stellungnahme hierzu. Aber genau das ist der kleine Rest, das kleine Fragezeichen, das auch bei True-Crime-Storys immer bleibt: War es wirklich so?

5/5

Catherine Ryan Howard – The Nothing Man
Rowohlt, 2021
400 Seiten
Taschenbuch: € 12,00

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