Böhse Onkelz – Olympiahalle München – 20.12.2016


bo-ticketLJ: Oh, wie ist das schön … oh, wie ist das schön … sowas hat man lange nicht geseh’n, so schön, so schön. Ja wo bin ich denn hier gelandet, möchte man meinen, wenn man den Gesängen lauscht, die von den ausverkauften Rängen der rappelvollen Olympiahalle in München immer wieder andauernd durch das ehrwürdige Olympia-Rund schallen. Die Stimmung könnte schon bei Ankunft in der Halle nicht besser sein. Was aber auch kein Wunder ist. Waren doch die Onkelz seit ihrer Auflösung 2005 nicht mehr in München zu sehen und wurden seitdem von ihren abertausenden Fans sehnsüchtig erwartet.

Los gings aber um kurz nach halb Acht mit der Vorband Beasto Blanco. Wie den Meisten, sagte mir der Name rein gar nichts, obwohl doch der Geist des Alice Cooper im Raum stand. Der Gitarrist und Kopf der Band, Chuck Garrick, zupft seit 2002 den Bass beim großen Meister des Gruselrocks. Den Gesang teilt sich Garrick mit Calico Cooper, welche keine Geringere ist, als die Tochter von Alice Cooper himself. Der Apfel fällt also nicht weit vom Stamm. Beasto Blanco spielen einen etwas dreckigen Glam-Hard-Rock, der manchmal richtig abgeht, aber auch teilweise ins Belanglose abdriftet. Die Band ist nett anzuschauen, mehr aber auch nicht. Der zweite Gitarrist Chris Latham macht seine Ansagen in perfektem Deutsch. Nach gut 45 Minuten ist aber Schluss mit lustig und die Band verabschiedet sich unter wohlwollendem Applaus von der Bühne.

Kyra: Beasto Blanco schallten schon durch die Olympiahalle, da standen wir noch am Getränkestand. Aber die Musik hatte was. Ohne weiteres hätte dort eine Hardrockgröße aus den 1980er Jahren auf der Bühne stehen können. Mich haben sie begeistert, auch wenn Calico Cooper in meinen Augen manchmal einen Tick zu präsent war. Die kleine Rampensau drängte sich immer in den Mittelpunkt, für die Männer sicherlich ein willkommener Anblick, für die Frauen ein kleiner Grund zu einem Funken Eifersucht und Neid. Stimmlich gab es den ein oder anderen Song, wo ich sie gerne anders oder gar nicht gehört hätte, dafür aber auch genügend Gelegenheiten, bei denen ihre Stimme perfekt zu Chuck Garrick passte und den Gesang abrundete. Tolle Neuentdeckung, von der ich auf jeden Fall mehr hören möchte.

bo-01LJ: Sofort erklangen wieder die „Oh, wie ist das schön“-Gesänge im Rund der Halle. Die Fans konnten es kaum erwarten, die Band nach elf Jahren wieder live zu erleben. Zwanzig Minuten vor Neun war es dann soweit. Die ersten Töne von „Gott hat ein Problem“, einem der neuen Tracks vom aktuellen Longplayer Memento, erklangen, und die Fans drehten fast durch. Befeuert von Peter „Pe“ Schorowski an den Drums und dem Viersaiterquäler Stephan Weidner nahm die Dampflok Onkelz Fahrt auf. Sänger Kevin Russell wurde bejubelt, wie der verlorene Sohn bei seiner Heimkehr. Begeisterung pur von der ersten Minute an. Die Böhsen Onkelz waren endlich back in town. Die Band wurde von ihrer Gemeinde begeistert empfangen, als gäb’s kein Morgen mehr und die alten Haudegen gaben es ihnen durch wahre Spielfreude voll zurück. Ein Vierteljahrhundert zurück in die glorreiche Vergangenheit ging’s gleich drauf mit „10 Jahre“, der seinerzeit auf der Es ist soweit Scheibe zu finden war. Mit „Finde die Wahrheit“ blieb man in den Neunzigern, ehe man mit „Irgendwas für nichts“ wieder die aktuelle Scheibe bediente. Egal ob alter oder neuer Song – Stimmung brachial überall und es gab genügend Pogo und Moshpits in der Halle. Matthias „Gonzo“ Röhr nutzte die komplette Bühne aus, um seine Breitseiten aus der Gitarre auf die Menge abzufeuern. Immer grinsend und Späße mit dem Publikum machend, erledigte er seinen „Job“ as usual perfect. Mit „Nie wieder“ ging es weit zurück in die Achziger Jahre. Alle Ansagen wurden einzig und allein von Stephan Weidner gemacht, der erzählte, welche Animositäten vom Bayerischen Rundfunk immer wieder in Richtung Onkelz gegangen waren und dass man solche Medien ja gar nicht brauchen würde bei solchen Fans. Der folgende Song war Programm für die Laufbahn der Böhsen Onkelz. „Gehasst, verdammt, vergöttert“ war eines der Heiligen Lieder vom gleichnamigen Album von 1992, ehe es mit „Auf die Freundschaft“ wieder in die Gegenwart ging. Mit „Schutzgeist der Scheisse“ und „Lieber stehend sterben“ wurde die Vergangenheit erneut befeuert. Weidner bedankte sich immer wieder bei den vielen Fans, dass diese ihnen ja ihr zweites Leben geschenkt hätten. Insbesondere das zweite Leben des Kevin Russell hob er extra hervor, der ja in der Vergangenheit das bo-02Problemkind der Onkelz gewesen war. Alkohol- und Heroinsucht, schwerer Verkehrsunfall mit Fahrerflucht … nichts ließ Russell aus, aber anscheinend hat ihm die lange Pause der Band gut getan. Die Stimme war da wie eh und je und er schwamm mit auf der Welle der Begeisterung, die ihnen ihre Gefolgschaft in jeder Minute zuteil werden ließ. Eine der größten Hymnen der Band folgte anschließend: „Nur die Besten sterben jung“ erklang im Chor aus gut 10.000 Mündern. „Jeder kriegt, was er verdient“, „Dunkler Ort“, „Wieder mal nen Tag verschenkt“ oder „52 Wochen“. In schöner Abwechslung bedienten die Onkelz ihr großes Repertoire aus Vergangenheit und Gegenwart. Mit „Danke für nichts“ und vor allem mit „Bomberpilot“ ging es weit zurück in die Zeiten, als die Band aufgrund ihrer Nähe zum rechten Spektrum in den ganz alten Tagen von allen Print-Medien, TV-Sendern und Plattenläden geächtet und gehasst worden war und trotzdem ihre Alben in den oberen Rängen der Charts platzieren konnten. Verdammt und verhasst von den öffentlichen Seiten, aber vergöttert von ihren Fans. Und denen gab es die Band schon seit damals zigfach zurück. „Wo auch immer wir stehen“ und „Mach’s dir selbst“ waren die beiden letzten Songs des neuen Albums Memento, die an diesem Abend gespielt wurden. Den Abschluss des regulären Sets bildete wieder eine Hymne. Eine Ode an das Verhältnis zwischen Band und Fans. „Auf gute Freunde“ war der Trinkspruch, der die Anhänger auf eine Stufe mit ihrer Band stellte. Der laute Jubel der Fans dauerte nicht allzu lange und schon nach kurzer Zeit kamen die vier zurück auf die Bühne und ließen die Worte erklingen, die wirklich jeder Onkelz-Fan auswendig runterbeten kann. „Endlich wieder neue Noten, neue Schweinerein. Fiese Lieder, harte Worte, so soll es sein“. Mit „Wir ham noch lange nicht genug“ ließen die Onkelz einen Wahlspruch, der auch sehr gut als Motto für die Reunion dienen könnte, durch die Halle donnern. Vom Album E.I.N.S. folgte der Track „Kirche“ und gleich drauf erklangen endlich die Worte aus Weidners Mund, auf die die Fans schon lange gewartet hatten. „Was wollt ihr hören?“, fragte er und aus so gut wie allen Kehlen donnerte ihm „Mexico“ entgegen. Der älteste Song des Abends aus dem Jahre 1985 wurde textsicher mitgesungen, gegrölt und abgefeiert. „Hast Du wirklich dran geglaubt?“ … bei den Zeilen wusste anschließend wirklich jeder, was nun kam. Der ewige Schlusssong der Böhsen Onkelz, „Erinnerungen“ aus dem Jahre 1987 vom Onkelz wie wir-Album, bildete den würdigen Abschluss für einen, nicht nur aus meiner Sicht, denkwürdigen Abend in der Olympiahalle in München.

bo-03Mein allererstes Konzert war in eben dieser Halle im September 1980, als ich mit 14 Jahren bei KISS dabei sein durfte. Seitdem hab ich in all den Jahren mit Sicherheit mehr als 1.500 Konzerte live erlebt. Viele auch in der Oly … aber noch niemals habe ich in dieser Location eine bessere Stimmung als an diesem Abend erlebt. Was da zwischen Band und Fans abging, kann man eigentlich kaum beschreiben. Wie eine Blase, in der beide Parteien zusammen eingesperrt sind und keinem geht die Welt da draußen ab.  So eine homogene Einheit habe ich selten irgendwo erlebt. Das ist beileibe kein normales Band/Fans-Verhältnis … Das ist schlichtweg eine Familie.

Kyra: Mit den Böhsen Onkelz verbinde ich viele Erinnerungen, und dass, obwohl die Band sich ein paar Jährchen vor meiner Geburt zusammengefunden hat. Immer wieder wurde die Musik überschattet vom Hickhack zur politischen Meinung der Bandmitglieder, was mich zum genaueren Hinhören animierte. Ich hab sie alle gesungen und geliebt, „Nur die Besten sterben jung“, „Mexico“, „Auf gute Freunde“, „Ich bin in dir“ und so weiter. Aber da war immer Kevin, der – sorry – einfach die Klappe nicht halten konnte und seine Bandkollegen in manches reinzog, wo diese vielleicht nicht so gerne drinnen sein wollten. Es war okay, als 2005 die Auflösung bekanntgegeben worden war. 2009 starb die Musik des Quartetts für mich. Der Unfall und Kevins Verhalten waren für mich ein absolutes No-Go. Ich verkaufte meine Onkelz-CDs und sang nie wieder auch nur eine Zeile von ihnen. Insgeheim wartete ich auf die Reunion, denn welche erfolgreiche Band würde sich so etwas entgehen lassen? Aus beruflichem Interesse verfolgte ich das Ganze, fand lobende Worte für den genialen Schachzug, nur an einem einzigen Ort ein Konzert zu spielen und schloss Wetten ab, dass ein Album und danach eine Deutschlandtour kommen würden. Dazwischen kam Kevins Projekt Veritas Maximus, das hier rezensiert wurde und mir dadurch zu denken gab. Dennoch lehnte ich es ab, ein Konzert der Band zu besuchen. Ich wurde lange und breit dazu überredet, skeptisch und – das muss ich zugeben – mit zig Vorurteilen gegenüber Kevin. Dass es da noch Weidner, Pe und Gonzo gibt, war mir herzlich egal, die hatte es früher auch schon gegeben und sie hatten immer „mitleiden“ müssen.  Am Konzertabend in der Olympiahalle waren alleine die Fans schon unbeschreiblich. Die Onkelz waren noch lange nicht zu sehen, da wurden sie schon gefeiert, freudig erwartet und herbeigerufen. Es war ein Konzert voller musikalischer Erinnerungen, guter wie schlechter. Aber es war vor allem die beste Stimmung, die ich bisher auf einem Konzert erlebt habe – und was noch wichtiger war: Nach Berlin haben viele andere Formationen auf den Konzerten in dieser Woche ihre politische Meinung herausposaunt, die Onkelz machten dies nicht, und das tat gut. Es war ein Konzert, auf dem es um die Musik und eine Rückkehr ging, um Vergebung, Schuld, Sühne, das einen demütigen und dankbaren Kevin Russell zeigte, stark verändert in seinem neuen „zweiten Leben“, wie Stephan Weidner es beschrieb, der passende Worte fand und die dunkle Vergangenheit nicht totschwieg. Es war ein Konzert, wie so viele sein sollten, auf dem Pe, GonzoWeidner und Kevin voller Elan und Spaß die Bühne eroberten und den Fans ihren Zusammenhalt demonstrierten. Und die Fans wussten das zu schätzen. 

Setlist:
01 – Gott hat ein Problem
02 – 10 Jahre
03 – Finde die Wahrheit
04 – Irgendwas für nichts
05 – Nie wieder
06 – Gehasst, verdammt, vergöttert
07 – Auf die Freundschaft
08 – Schutzgeist der Scheisse
09 – Lieber stehend sterben
10 – Nur die Besten sterben jung
11 – Jeder kriegt was er verdient
12 – Dunkler Ort
13 – Wieder mal nen Tag verschenkt
14 – 52 Wochen
15 – Danke für nichts
16 – Bomberpilot
17 – Wo auch immer wir stehen
18 – Mach’s dir selbst
19 – Auf gute Freunde

20 – Wir ham‘ noch lange nicht genug
21 – Kirche
22 – Mexico
23 – Erinnerungen

Homepage: Böhse Onkelz
Homepage: Beasto Blanco

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