Buch: Petra Hammesfahr – Die Mutter


Vera Zardiss lebt die Idylle. Mit ihrem Mann, den beiden Töchtern Rena und Anna und ihren Eltern lebt sie auf einem Bauernhof und hat die alltäglichen Probleme einer arbeitenden Mutter: Termine, ein bisschen Haushalt, die schulischen Leistungen der Kinder. Doch dann zerbricht das Idyll, als Rena einen Tag nach ihrem 16. Geburtstag verschwindet…

Petra Hammesfahr gilt als Deutschlands erfolgreichste Krimiautorin – und das völlig zurecht. Mit Der stille Herr Genardy schaffte sie ihren Durchbruch und begeistert seit Jahrzehnten Krimifans. Dabei legt Hammesfahr viel Wert auf die Peripherie, nicht nur auf das eigentliche Verbrechen. Sie beleuchtet das Innere, die Psyche ihrer Figuren, die Psychologie des Geschehens.

Die Mutter ist der Start ihrer Reihe um Kommissar Klinkhammer, und während der später doch mehr zu Wort kommt und seine Ermittlungen immer wieder im Vordergrund stehen, ohne dabei den Hauptteil eines Buches auszumachen, wird Klinkhammer hier noch sehr als Randfigur behandelt, die sich in das Leben der Familie einmischt. Mit seinen Fragen, seinem Misstrauen, seiner Wut über verschwiegene Details und seinem Haartick geht er Vera Zardiss unheimlich auf die Nerven. Vertrauen kann sie nicht aufbauen zu ihm und auch kann sie nicht glauben, dass die Polizei genug tut, um die verschwundene Tochter zu finden.

Vera Zardiss zerbricht an dem Verschwinden ihrer Jüngsten. Einfühlsam beschreibt Hammesfahr, wie sie wahnsinnig wird vor Sorge und Fragen, die nicht beantwortet werden. Eine Mutter lässt nichts unversucht, um die Tochter zu finden, klammert sich an jeden Strohhalm, egal, was ihr Mann und alle anderen sagen, egal, wie die Faktenlage ist. Dass Rena verschwunden bleibt und nur ihr Fahrrad gefunden werden kann, wirft noch mehr Fragen auf. Sie ist nicht tot!, wiederholt Vera wie ein Mantra, schreit damit ihre Hilflosigkeit heraus, sucht Schuldige, verdächtigt Falsche, macht sich unheimliche Vorwürfe. Immer wieder gibt es kleine Hoffnungsschimmer, durch die Erzählperspektive verschwommen durch die Sicht der Mutter, aber sehr schnell ist der Leser so tief in die Geschichte versunken, fühlt sich so eng verbunden mit der Mutter und ihren Gefühlen, dass er nachempfinden kann, wie ein kleines Wort nur neue Hoffnung schüren kann.

Die Mutter greift an. Der Leser wird durch die Psyche der Verzweifelten gezerrt, von der Leere und Dunkelheit verschlungen, die Hammesfahr brillant darstellt. Ein Psychothriller, der sich nicht mit grausamen Mordszenarien und Blut über Wasser hält, sondern ganz tief in die Psyche eintaucht und im Gegensatz zu vielen anderen des Genres, die Seite der Angehörigen beleuchtet.

5/5

Petra Hammesfahr – Die Mutter
Rowohlt Verlag, 2011
397 Seiten
Taschenbuch: € 9,99

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