„Morgen kommt der Mond. Ich habe Angst vor dem Wolf.“ Das ist der letzte Eintrag im Tagebuch eines Jungen, der am nächsten Tag tot aufgefunden wird. Acht Jahre später findet man auf einem Feld erneut zwei tote Jungen und einen Hasen. Schnell bringen Holger Munch und sein Team beide Fälle zusammen, aber wer tötet unschuldige Kinder – und es sind schon wieder zwei verschwunden…
Holger Munch hat scheinbar alle Freiheiten, die sich ein Ermittler wünschen kann. So obliegt es ihm, das Team für seine Sondereinheit zusammenzustellen. Die Polizeischülerin Mia Krüger ist das neueste Mitglied der Truppe. Sie sieht selbst kleinste Details, die anderen verborgen bleiben. Doch Mia hat jede Menge privater Probleme, die ihr im Weg stehen. Der Leser bekommt hierdurch immer kurze Verschnaufpausen, die aber keine Langeweile einziehen lassen. Dadurch werden Wartezeiten überbrückt, denen sich auch das fiktive Ermittlungsteam ausgesetzt sieht. Die Figuren bekommen einen Charakter, Macken und Stärken, Schwächen und besondere Fähigkeiten. Irgendwann fühlt man sich als Teil des Teams, fiebert mit, kombiniert und sieht sich doch wieder in einer Sackgasse. Geschickt wird die Geschichte aufgebaut, die Spannung aufrecht erhalten und immer wenn man denkt, dass man den Täter in die Enge getrieben hat, kommt ein kleines Detail ins Spiel, das alles zusammenstürzen lässt. Wie auch die Protagonisten wünscht sich der Leser, dass man den Täter fasst, bevor er seine nächsten Opfer auf dem Gewissen hat, denn sobald bekannt ist, dass wieder zwei Jungen verschwunden sind, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.
Dunkelschnee ist der mittlerweile vierte Teil der Reihe um Munch, aber wenn man mit ihm startet, fällt das überhaupt nicht auf. Man braucht kein Vorwissen aus den anderen Bänden, sondern kann sofort starten und lernt die Protagonisten ausreichend kennen. Als Leser muss man allerdings damit klarkommen, dass die Schwächsten die Opfer sind, die Kinder. Das ist nicht einfach und da muss vielleicht auch mal die Fantasie aussetzen. Für all diejenigen, die vom Zwischengeplänkel und Liebeleien der Protagonisten schnell genervt sind, hat Bjork ein Herz, denn die großen Schnulzenszenen entfallen, was fast schon erfrischend ist. Allgemein setzt Bjork auf eine dunkle Atmosphäre, es gibt irgendwie nichts Freundliches in dem Thriller und jedes kleine Fünkchen Licht wird schnell ausgeblasen. Das ist für nordische Autoren gar nicht mal so überraschend. Bjork wird gerne mit Stieg Larsson verglichen und man kann eine gewisse Ähnlichkeit nicht verneinen, dazu passt eben auch eine etwas verschlossene, problembeladene und gleichzeitig geniale und nischenbegabte Ermittlerin wie Mia. Wer also die Larsson-Reihe mochte, hat hierin einen ebenbürtigen Nachfolger gefunden, der Spannung garantiert und Lust auf die anderen Teile der Reihe macht, sofern man sie noch nicht kennt. Samuel Bjørk ist übrigens das Pseudonym von Frode Sander Øien, der unter anderem auch als Singer/Songwriter bekannt ist. Es ist nicht verkehrt, mal nach ihm zu googlen und sich musikalisch ein wenige inspirieren zu lassen.
Schauspieler und Sprecher Dietmar Wunder hat für den Hörverlag das Buch eingelesen. Bereits nach den ersten Minuten, weiß man, dass man die Stimme kennt. Woher? Wunder ist die Synchronstimme von Adam Sandler, Cuba Gooding Jr., Daniel Craig, Rob Lowe und anderen Darstellern. Er hat etwas Beruhigendes, stellenweise Flüsterndes in der Stimme und lädt damit zum aktiven Zuhören ein. Wunder ist für seine Tätigkeit als Synchronstimme mehrfach ausgezeichnet worden.
5/5
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Samuel Bjørk – Dunkelschnee
Goldmann Verlan, 2022
560 Seiten
Taschenbuch: 15,00 €