Live: Mitch Ryder & Engerling – 05.03.2023 – Harmonie – Bonn


Spätestens seit seinem Auftritt im Rockpalast 1979 und dem legendären Interview hat Mitch Ryder in Deutschland Fuß gefasst und kommt auch immer gerne hier hin zurück. Der Amerikaner wurde kürzlich an der Wirbelsäule operiert und kann nur gestützt auf die Bühne gelangen, um dort dann Platz zu nehmen. Seine Ärzte sagten ihm, er solle gar nicht mehr nach Deutschland kommen, aber diesen Rat konterte er mit: „Die Leute kommen ja nicht, um mir beim laufen zuzuschauen, sondern wollen mich singen hören“. Eben dieses Singen funktioniert auch immer noch sehr gut.
Unterstützt wird Mitch, wie schon seit 1994, von seiner Tourband in Europa, der Ostberliner Bluesrockband Engerling, die auf allen Positionen top besetzt sind. Insbesondere Gisbert „Pitti“ Piatkowski an seiner Stratocaster war exzellent. In jedweder Stilrichtung, sprich den 80er Jahre Pop-Rock Stücken oder dem harten 70er Bluesrock, findet er sich zurecht und gibt dem Abend über abwechslungsreiche Leadpassagen von sich – Chapeau!
Die Bassdrum des Schlagzeugers geht, wie Mitch Ryder, der direkt davor auf einem Stuhl sitzt, witzig bemerkt „up his asshole“. Die Übersetzung spare ich mir an dieser Stelle. Drummer Olli Kunze verprügelt seine Felle recht aggressiv und verleiht dem ganzen Spiel ordentlich Druck und verschiebt durch eben diesen auch gerne Ryders Notenständer.
Fast pünktlich, gegen 19:15 Uhr, ging es los in der ausverkauften Harmonie. Mitch, wie immer mit Hut und Sonnenbrille, braucht, wenn man ganz kritisch sein will, den ersten Song, den Klassiker „Take me to the River“ noch, um die Stimme zu ölen, aber danach ist es einfach beeindruckend. Mit im Februar frisch gewordenen 78 Jahren schreit er sich zum Teil wirklich die Seele aus dem Leib. Die Spielfreude Engerlings trifft auf eine vokale Energie eines Künstlers, von dem sich in Bezug auf Tonalität als auch Volumen viele neue Künstler eine gehörige Scheibe abschneiden können. Wenn Mitch richtig loslegt, wird gejubelt. Zu recht.
Die Songs sind abwechslungsreich von sehr schnell und heavy, bis hin zu Balladen und zeigen, was die Jungs drauf haben. Sie sind größtenteils aus einer Zeit Ende der 70er, Anfang der 80er. Das Publikum freut sich extrem über den Klassiker „Ain’t nobody White can sing the Blues“. Jeder Musiker bekommt Zeit, sich in Soli auszuleben, wobei für mich hierbei neben dem schon erwähnten Pitti, Wolfram „Boddi“ Bodag an der Orgel und der Mundharmonika hervorsticht und den Sound rund macht.

Mich überzeugten besonders das fetzige „Tough Kid“, die dynamische Ballade „Freezin in Hell“ und der krönende Abschluss. Der letzte Song des Abends war „Soul Kitchen“ von den Doors. Spätestens da war jeder Anwesende völlig begeistert. Orgelsolo, Gitarrensolo, bunte Lichter, es fühlte sich an wie 1967, zu Zeiten als Mitch Ryder noch mit seinen Detroit Wheels unterwegs war. Ryder verausgabte sich nochmal richtig und sagt zu recht erschöpft: „So, das war’s“. Die Nummer war ein absolutes Highlight in allen Belangen und eine krönender Abschluss für ein sehr schönes, intimes, zweistündiges Konzert mit sehr gut ausgesteuertem Sound in der Bonner Harmonie! Insbesondere die Ansprachen zwischen den Songs machten den Auftritt so toll. Es gab kleine Anekdoten zu den Liedern und halt eben auch zur Gesundheit von Mitch und man hat den Eindruck, dass alle, sowohl Band als auch das Publikum, sich sehr freuen, diesen Abend miteinander zu verbringen.

Thank you Mitch Ryder! Scheinbar gibts doch einen weißen, der den Blues singen kann…

Setlist:
01 – Take Me to the River
02 – Red Scar Eyes
03 – Tough Kid
04 – Ain’t nobody White
05 – All Fools it Sees
06 – Long Hard Road
07 – Yeah, You Right
08 – The Thrill of it All
09 – Terrorist
10 – War
11 – Freezin‘ in Hell
12 – True Love
13 – Do You Feel Alright?
14 – When You Were Mine (Prince Cover)
15 – It Wasn’t Me (Chuck Berry Cover)
16 – Soul Kitchen (Doors Cover)

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