Vor ein paar Tagen schneite mir ein kleines Packerl mit der Post ins Haus. Darin eine CD von meinem bayrischen Lieblingsblueser Wolfgang Bernreuther aus der Oberpfalz. Still a Fool ist diese betitelt, und ist sein neuestes Werk, das ab 21. April 2023 in den Läden zu finden ist.
Ein erster Blickfang ist schon mal das ganz in schwarz und weiß gehaltene Cover, welches von keinem Geringeren als der deutschen Musiklegende Klaus Voormann gestaltet wurde. Was Voormann als Musiker drauf hat, wissen wir bereits seit den 1960ern, als er bei Manfred Mann den Bass zupfte, später mit John Lennon in der Plastic Ono Band zugange war oder bei „My sweet Lord“ von George Harrison Gitarre spielte. Als Graphiker war er nicht minder erfolgreich, designte er doch unter anderem für das 1965er Beatles Album Revolver das Cover, ebenso für die späteren Anthology Alben der Fab Four.
Wolfgang Bernreuther ist in der Blues-Szene ein Hans Dampf in allen Gassen. Irgendwie kennt er jeden und bringt diverse Superstars dazu, auf seinen Alben mitzuwirken. So hat der Wolfgang den früheren Papst der Konzertposter Günther Kieser (Janis Joplin, Jimi Hendrix, The Who….etc.) dazu gebracht, ihm zwei Cover für seine Platten mit der United Blues Experience zu designen. Auch hier, bei Still a Fool, hat er wieder seine unzähligen Kontakte spielen lassen, und sich eine illustre Truppe mit ins Boot geholt, um mit ihm den Blues zu zelebrieren. Sein Kontakt mit Klaus Voormann verhalf ihm nicht nur zu einem tollen Cover, er durfte auch die Vootar von Voormann auf dem Album spielen. Die Vootar ist ein von Klaus Voormann entwickeltes, achtsaitiges Instrument, das Bass und Gitarre in einem Teil vereinigt.
Los geht’s mit „Can’t get rid of it“, einem Blues, der direkt aus den Sümpfen der Südstaaten entsprungen zu sein scheint. Ein langsam dahin groovender Song, der sich bestens als Begleitung für eine Tour im Cabrio eignen würde. Fenster auf, Arm locker auflehnen und ab auf die Landstraße. Den Double Bass spielt hier Greg Cohen, der schon bei Bob Dylan, Tom Waits oder Keith Richards die vier Saiten zupfte. Das folgende „Slowly drivin‘ me mad“ nimmt einiges an Fahrt auf und man swingt unweigerlich mit. Was sofort auffällt, ist der Bass. Harry Hirschmann, seinerzeit Bassist von Kevin Coyne, zupft den Viersaiter in einer Art „Walking Bass“, wie man es vom großen Colin Hodgkinson kennt. Bereits die ersten beiden Songs machen mächtig Laune. Der dritte ist eine erste Coverversion aus der Feder vom Meister himself. Eigentlich kennt dieser Song nur zwei gültige Versionen. Das Original von Bob Dylan, und die geniale Version vom Gitarrengott Jimi Hendrix. Die Rede ist natürlich von „All along the Watchtower“. Zig Versionen davon schwirren im Netz herum, jeder Gitarrist will sich einmal dran beweisen. So auch Wolfgang Bernreuther, der diese Nummer aber aus dem Grund aufgenommen hat, weil das seit ewigen Zeiten einer seiner Lieblingssongs ist, und er ihn irgendwann selber aufnehmen wollte als Hommage an zwei seiner Helden. Was Dylan an Intensität und Hendrix an ekstatischen Spirit hineinlegte, schafft Bernreuther, indem er den Song swingen lässt. Meeresrauschen, an den Strand schlagende Brandung bilden den Auftakt zum langsameren „Set Sail“. Der Song erzählt vom Verlust geliebter Menschen, vom Gehenlassen. Einfach los zu lassen, wenn es Zeit ist. Mich persönlich berührt der Song nicht, er plätschert nur dahin. Als nächstes folgt wieder eine Coverversion, dieses Mal aus der Feder von Blind Willie Johnson in der Bearbeitung von Al Kooper. Und wieder dieser Autofahrer-Groove, der mächtig Spaß macht. Wolfgangs Sohn Johannes Bernreuther sitzt bei „I can’t keep from crying“ an den Kesseln der Schießbude und macht sein Ding sehr ordentlich. Das passt zusammen wie die Faust aufs Auge. Die Percussions werden hierbei bedient von Werner Steinhauser, seinerzeit Sideman vom genialen Kevin Coyne. Ja, was ist jetzt los? Türkische Klänge kommen aus den Speakern, was mich persönlich begeistert, wenn es denn mit Blues oder Rock gewürzt ist. Sofort kommt mir der Sound vom Türk-Rock Alex Wiska und seiner Alex Oriental Experience in den Sinn. Der Gedanke ist nicht weit weg, spielt Wolfgang Bernreuther doch auf „Yanartas“ die persönliche Stil von Alex Wiska. Wiska hat 1998 auf Grundlage der türkischen Saz eine eigene elektrifizierte Version erfunden und dieses Instrument Stil genannt. Einen sehr großen Kritikpunkt muss ich an dieser Stelle leider einflechten: Der Song ist leider nur mickrige 1:47 Minuten lang. Warum ist dieses geile Machwerk nicht satte zehn Minuten lang? Sehr, sehr schade.
Jetzt wird’s ruhig und jazzig. Pianoklänge ertönen und sofort denkt man bei diesem weichen Sound an Ray Manzarek von den Doors. Der Vergleich passt insofern, als dass der Mann an den Tasten, Dr. Alois Kölbl, genannt Ellis seinen „Ellis‘ Tune“ auf eben genau demselben Instrument anstimmt, auf dem seinerzeit Manzarek einige der größten Hits von den Doors spielte, einem Fender Rhodes Piano – „Light my Fire“ – you remember? Die samtweiche Stimme von Tatjana Valvey passt hervorragend zum Song. Schneller wird’s wieder bei „Long Time“, der mich vom Groove her wieder an Alex Wiska und seiner Oriental Experience erinnert. Tja, nicht weit hergeholt, denn als Sidemen dienen Bernreuther hier der kongeniale Manni von Bohr an den Drums und Ufo Walter am Bass, damals beides Mitglieder in der Oriental Experience von Alex. Zwei hochkarätige Gäste, die hier für das solide Fundament sorgen. Manni von Bohr wurde bekannt als Schlagzeuger der Krautrocklegende Birth Control oder mit Randy Hansen, dem legitimen Nachfolger von Jimi Hendrix. Aus diesem Umfeld kommt auch Bassist Ufo Walter. Hansen, Buddy Miles, Marla Glen oder die deutsche Punkrock/NDW Legende Nichts sind als Referenzen alles andere als kleine Randnotizen aus dem Leben eines Bassers. Bei den nächsten Klängen wusste ich sofort, den Song kenne ich und den habe ich in meiner Sammlung. Die wunderbare Stimme von Tatjana Valvey, nur begleitet von Wolfgangs Gitarre, performt das traumhafte „A Word about Colour“. Im Original gesungen von der göttlichen Julie Driscoll auf dem 69er Streetnoise Album von Julie Driscoll, Brian Auger and the Trinitiy. Ehrlich gesagt, gefällt mir diese neue Version sogar besser als das Original – wow. Gleich rauf wird’s wieder groovig und da ist er auch schon wieder. Der „Walking Bass“ von Harry Hirschmann walkt sich durch „4 O’Clock in the Morning“, welches durch ein sehr fein abgestimmtes Drumsolo vom Oberpfälzer Thomas „Tommy“ Baier bereichert wird. Die nachfolgenden Klänge kennt man, wenn man ein wenig in der Countrymusik bewandert ist. „I still miss someone“ stammt aus der Feder vom Man in Black Johnny Cash. Wolfgang Bernreuther singt die Country-Ballade im Duett mit Jazzsängerin Petra van Delft und man stellt fest, die beiden harmonieren hervorragend zusammen.
Ja, spielt der Wolfi jetzt bei Haindling ,möchte man meinen wenn man die ersten Töne von „Beyond open Skies“ vernimmt. Trompete, Jagdhorn, Tuba, Harfe … nicht gerade das Instrumentarium vom Wolfgang, aber genau das von Christoph „Stofferl“ Well, ehemals Mitglied der legendären Biermösl Blosn und Bernreuthers musikalischer Partner bei diesem tollen Instrumentalstück. Die „13“ gilt vielerorts als Unglückszahl, hier beileibe nicht, denn hier ist der 13. Song der namensgebende Titeltrack „Still a Fool“. Kurbelt eure Autofenster runter – es groovt wieder. Der perfekte Soundtrack für eine dahin cruisende Überlandfahrt. Eine Coverversion von Luther Allison bildet den Abschluss der regulären Tracklist von Still a Fool. „Let’s try it again“ möchte man auch Wolfgang Bernreuther zurufen und der Wolfi liefert aber sowas von ab.
Was macht man, wenn man von zwei Songs zwei gute Versionen aufgenommen hat und sich nicht entscheiden kann, welcher von beiden besser ist? Ganz einfach – man nimmt beide mit auf’s Album als Alternate Tracks. So geschehen bei den letzten beiden Titeln der CD „Can’t get rid of it“ und „All along the Watchtower“, die den Abschluss bilden. Für mich klingen die beiden zu ähnlich zu den regulären Versionen, drum kann ich mich auch nicht entscheiden, was besser ist.
Als negativen Punkt möchte ich anführen, dass mir Wolfgang Bernreuther oft zu sauber klingt. Sicherlich lässt der deutsche Dialekt so manches Englische hart klingen, aber Blues kommt von unten aus der Gosse, kommt von den Feldern, ist dreckig, ist sumpfig. Das kommt hier öfter nicht so rüber. Die Aussprache ist mir zu clean. Ein bisschen staubiger Dreck auf den Stimmbändern hätte nicht geschadet.
Im Gegensatz dazu muss man unbedingt auf den extrem hochwertigen Klang der CD eingehen. Das Mixing und Mastering muss Wochen gedauert haben. Man hört jedes noch so kleine Detail differenziert im Gesamtklang deutlich heraus. Das klingt schon sehr nach High-End. Dazu beitragen mag sicherlich auch die Partnerschaft mit Clearaudio ,die mittlerweile auch schon 20 Jahre währt. Bernreuther und Clearaudio – das passt einfach.
High-End schreit ja förmlich nach Vinyl, und für die Liebhaber der schwarzen Scheiben gibt’s Still a Fool auch als eine auf 1.000 Stück limitierte Vinyl-Edition. Ausgestattet mit einem hochwertigen Klappcover, OBI-Banderole, Poster, bedruckte Innenhüllen und als Schmankerl noch einen hochwertigen Kunstdruck aus dem Hause Voormann. Als große Vinylausgabe kommt das gezeichnete Coverbild von Klaus Voormann noch viel besser rüber als auf der kleinen CD.
Alles in allem ist Wolfgang Bernreuthers neuestes Machwerk Still a Fool eine tolle Scheibe für längere Autofahrten oder auch stille Winterabende am Kamin. Man swingt und groovt richtig mit. Lediglich mich persönlich nervt „Set Sail“ bei oftmaligen Hören mehr und mehr, aber das ist ein rein persönliches Empfinden meinerseits.
4,5 / 5
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Wolfgang Bernreuther – Still a Fool
Clearaudio, 2023
Tracklist:
01 – Can’t get rid of it
02 – Slowly drivin‘ me mad
03 – All along the Watchtower
04 – Set Sail
05 – I can’t keep from crying
06 – Yanartas
07 – Ellis‘ Tune
08 – Long Time
09 – A Word about Colour
10 – 4 O’Clock in the Morning
11 – I still miss someone
12 – Beyond open Skies
13 – Still a Fool
14 – Let’s try it again
15 – Can’t get rid of it (Alternate Track)
16 – All along the Watchtower (Alternate Track)